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Traum vom Gaspreisdeckel ist geplatzt

19. Oktober 2022

Die EU-Kommission will Preisexzesse im Gasgroßhandel langfristig verhindern. Ein Bündel an Maßnahmen soll die Märkte stabiler und berechenbarer machen. Direkte Eingriffe beim Preis für Endkunden empfiehlt sie nicht.

Der Gaspreisdeckel ist tot! Es lebe ein Maßnahmenbündel an EU-Vorgaben, die dazu führen sollen, die Gasmärkte weiter zu stabilisieren, das Handeln der Marktteilnehmer und der Mitgliedsstaaten besser zu koordinieren beziehungsweise zu optimieren, sodass am Ende auch die Gaspreise moderater werden.

Auf diese Formel lassen sich die jüngsten Vorschläge bringen, die die EU-Kommission Mittwoch in Straßburg beschlossen hat. Klingt kompliziert – ist es in den vielen technischen Details zu „nachhaltigen Marktintervention“ auch.
Wer glaubte, dass die enorm gestiegenen Gaspreise bei Verbrauchern mit einem Federstrich in alte, günstige Preisdimensionen vor 2021 zurückgeführt werden könnten, wird enttäuscht sein. Das machten Experten der Kommission deutlich, noch bevor Präsidentin Ursula von der Leyen mit Energiekommissarin Kadri Simson der für den Kapitalmarkt zuständigen Maired McGuiness ihre Konzepte offenlegten.

„Wenn man im Markt interveniert, muss man vorsichtig sein“, so die Warnungen vor voreiligen Forderungen. Gas bleibe weltweit ein knappes Gut. Es könnte zu fatalen Effekten kommen, indem etwa die Gasversorgung gefährdet wird.

Es findet in Europa ein radikaler Wechsel von Erdgas in Pipelines zu LNG-Flüssiggas per Schiff statt. 15 Regierungen hatten von der Kommission eine klare Preisobergrenze im Handel mit Gas verlangt, ähnlich wie im Stromgroßmarkt. Beim EU-Gipfel in Prag vor zehn Tagen haben alle Staats- und Regierungschefs von der Leyen beauftragt, ein Konzept vorzulegen.

Deren Experten hatten Mühe, schlüssige Konzepte zu schnüren, die auch konsensfähig sind. Die Staaten haben völlig konträre Vorstellungen bzw. Interessen, wie man intervenieren soll. Grob gesagt: Die Osteuropäer sind (wie Österreich) nach wie vor sehr von russischem Gas abhängig. Die Westeuropäer haben Krise und Krieg dazu genutzt, ihre Gasversorgung umzustellen, Flüssiggas kommt aus aller Welt bzw. via Pipelines aus Norwegen oder Algerien.

Der Standard

Härtetest für Gasversorgung kommt übernächsten Winter

19. Oktober 2022

Sollte Putin das Gas ganz abdrehen, wäre die Speicherbefüllung in der EU im Jahr 2023 extrem herausfordernd

Für diesen Winter kann vorsichtig Entwarnung gegeben werden. Die Speicher sind gut bis sehr gut gefüllt, wenn auch zu extrem hohen Kosten. Die für die Jahreszeit milden Temperaturen tragen dazu bei, dass noch immer mehr Gas in die Speicher geht, als diesen entnommen wird. Nächstes Jahr, so steht zu befürchten, kann die Situation eine gänzlich andere sein.

Dann nämlich, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin, der wegen des bisher wenig erfolgreichen Angriffskriegs auf die Ukraine auch im eigenen Land zunehmend unter Druck gerät, die Gaslieferungen ganz einstellt. Beobachter rechnen fest damit – noch in diesem Winter, spätestens zum Sommer hin. Dann müsste sämtliches Gas zur Wiederbefüllung der Speicher und zum täglichen Gebrauch aus nichtrussischen Quellen organisiert werden. Das wäre schwieriger als heuer, und schon heuer war es alles andere als einfach. Und – die Kosten würden weiter in die Höhe schießen.

Im Moment sind die Gaspreise im Sinkflug. Am Central European Gas Hub (CEGH) in Wien wurde die Megawattstunde (MWh) Gas am Dienstag um die 60 Euro gehandelt. Vor genau einem Monat waren noch 100 Euro mehr zu zahlen. Carola Millgramm, Leiterin der Abteilung Gas in der E-Control, spricht von einer „Phase“, die sicher nicht lange anhalten werde.

Gutgefüllte Speicher, eine gesunkene Nachfrage und der frühlingshaft anmutende Herbst, der den Beginn der Heizsaison hinauszögert, hätten das Viermonatstief beim Gaspreis bewirkt. Außerdem sei die strategische Gasreserve von 20 Terawattstunden (TWh; in Österreichs Gasspeichern haben insgesamt 95 TWh Platz) bereits beschafft – zu Kosten von 3,95 Milliarden Euro. Teilweise ist dieses Gas schon eingespeichert, zum Teil wird es das noch.
Je mehr Gas am Ende der Heizsaison vorrätig ist, umso besser. Auch aus Kostengründen wäre es wichtig, die strategischen Gasreserven nicht anzutasten. Andernfalls müssten diese wieder teuer aufgefüllt werden. Sparen sei deshalb das Gebot der Stunde, sagt Millgramm.

Standard

Gas: Brüssel scheut Preisdeckel

19. Oktober 2022, Brüssel

Die Kommission will 40 Milliarden Euro als Soforthilfe an die Staaten ausschütten. Preisexzesse sollen gebremst werden.

Um den Haushalten und Unternehmen in der EU zu helfen, die unter den hohen Energiekosten leiden, sollen die 27 Staaten in Summe 40 Milliarden Euro erhalten. Das Geld soll aus der Regionalförderung umgeschichtet werden und zur Entlastung der am meisten von der Preiskrise betroffenen Bürger und Wirtschaftssektoren dienen. Das hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Dienstag als Teil eines Pakets zur Bewältigung der Energiekrise vorgeschlagen.

Und was wurde aus dem Gaspreisdeckel, von dem sich zuletzt so viele eine preisdämpfende Wirkung erhofft hatten? Er wird durch eine zeitlich begrenzte Gaspreisbremse ersetzt, die nur in Extremfällen zum Einsatz kommen soll.
Darauf läuft der Vorschlag der EU-Kommission hinaus. Der offizielle Name ist typisch für die Brüsseler Bürokratie: „Preiskorrekturmechanismus“. Doch er umschreibt gut, wie das Instrument funktionieren soll: Es wird nur dann ein Stopp verfügt, wenn der Preis auf dem wichtigsten Gashandelsplatz TTF in den Niederlanden extrem in die Höhe zu schießen droht. „Wir müssen die Preisspitzen auf dem Gasmarkt einbremsen“, betonte von der Leyen. Längerfristig soll ein neuer, zusätzlicher Index für Flüssiggas für mehr Ruhe sorgen.

Die Vorschläge sind sehr allgemein gehalten. Details sollen die Energieminister ausarbeiten. Zunächst müssen die 27 Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag grundsätzlich zustimmen. Viele hatten weit mehr gefordert – nämlich einen fixen Gaspreisdeckel. Am weitesten waren 15 Staaten unter Führung von Frankreich, Italien und Polen gegangen. Sie hatten eine feste Preisobergrenze auf alles importierte und innerhalb der EU gehandelte Gas gefordert.

Salzburger Nachrichten