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EU sucht Wege aus dem Gaspreislabyrinth

12. Oktober 2022

Dass die Kosten für das rar gewordene Gut Gas hinunter müssen, darüber sind sich die EU-Mitgliedsstaaten im Prinzip einig. Doch die Vorstellungen, wie das erreicht werden kann, liegen nach wie vor weit auseinander.

Lange, intensive Debatten über Preisdeckel beim Gaseinkauf beziehungsweise Preisbremsen für Haushalte und Industrie, einander widersprechende Lösungsansätze der Staaten, Streit über nationale Hilfsmaßnahmen, aber keine Entscheidung, wohin die gemeinschaftliche Reise der 27 EU-Länder gehen wird. So lassen sich die Beratungen der Staats- und Regierungschefs beim informellen EU-Gipfel am Freitag in Prag zusammenfassen.

„Wir müssen den Gaspreis nach unten bringen“, erklärte Premierminister Krišjānis Kariņš aus Lettland zu Beginn der Beratungen noch optimistisch, „das wäre großartig“.

Dieser Zielsetzung stimmten alle beteiligten Staatenlenker im Prinzip gerne zu. Das große Problem dabei: „Eine solche Obergrenze darf nicht dazu führen, dass Lieferanten nicht mehr liefern“, wie Kariņš selbst einwandte. Genau das ist aber zu befürchten, wenn unangemessene EU-Preisvorgaben beim Einkauf von Gas auf den Weltmärkten von den Gaslieferanten nicht akzeptiert werden.

Die Folge wäre, dass jene EU-Staaten, deren Energieversorgung von Gas und insbesondere von russischem Gas stark abhängig ist, in noch größere Schwierigkeiten kommen würden als bisher. „Wir müssen da aufpassen“, warnte Luxemburgs Premier Xavier Bettel daher vor übereilten Schritten.

Seit Russland mit der Verknappung von Gas dafür gesorgt hat, dass die Großhandelspreise und in der Folge auch die Preise für die Konsumenten explodieren, ist der gesamte Energiemarkt in Europa durcheinandergeraten. Weil Gaskraftwerke bei der Stromerzeugung im offenen Binnenmarkt nach wie vor eine wichtige Rolle spielen, bei der Preisbildung an den Börsen entscheidend sind, wäre dringendes Handeln nötig. Die EU-Energieminister haben daher vor einer Woche ein Paket mit Notmaßnahmen beschlossen. Es zielt auf Einsparung beim Stromverbrauch sowie Preisdämpfung bei Strom ab, der aus Wasserkraft, Sonne oder Wind erzeugt wird.

Der Standard

Die Briten sichern ihre Bohrinseln

12. Oktober 2022, London

Im Gegensatz zu Österreich und anderen europäischen Ländern ist Großbritannien nur indirekt von russischen Gaslieferungen abhängig. Weniger als vier Prozent der Gasversorgung entfielen 2021 auf Importe aus Russland. Rund die Hälfte des Bedarfs kann das Land aus eigenen Quellen decken. Die rasant steigenden Preise auf dem globalen Energiemarkt führen jedoch auch in Großbritannien zu einer höheren Nachfrage nach alternativen Energien. Erschwerend kommt hinzu, dass der Bedarf auf der Insel hoch ist, weil vornehmlich Gas zum Heizen und zum Kochen genutzt wird.

Als Reaktion darauf veröffentlichte die konservative Regierung im April eine aktualisierte Sicherheitsstrategie. Demnach will man russische Öl- und Kohleimporte bis Ende 2022 und Gasimporte „so schnell wie möglich“ einstellen, hieß es damals. Außerdem sollen einheimische und kohlenstoffarme Energien innerhalb der nächsten 20 Jahre ausgebaut werden.

Bis 2030 könnten 95 Prozent der Elektrizität aus Sonne, Wind, Wasser und Atom stammen, ließ der damalige Premierminister Boris Johnson im Frühjahr ankündigen. Das Kernelement sind acht neue Atomreaktoren bis 2030. Bis 2050 soll sich die Produktion durch Atomenergie auf 24 Gigawatt mehr als verdreifachen und bis zu 25 Prozent des erwarteten Strombedarfs abdecken. Während sich Johnson gegen das sogenannte Fracking ausgesprochen hatte, schlug die neue Premierministerin Liz Truss im September einen anderen Kurs ein. Die Politikerin, die staatlichen Interventionen skeptisch gegenübersteht, hob das Moratorium auf, zu dem sich die Konservative Partei im Jahr 2019 bekannt hatte. Beim Fracking, das Gefahren für die Umwelt birgt, wird Gas oder Öl mithilfe von Druck und Chemikalien aus Gesteinsschichten extrahiert. Truss verteidigte die Entscheidung. „Fracking ist ein Teil des Energiemix, wir sollten alle Optionen prüfen“, sagte sie Mitte September am Rande der UN-Generalversammlung in New York. Mit dieser Maßnahme will die britische Regierung zudem sicherstellen, dass das Land bis 2040 mehr Energie exportiert, als es importiert.

Salzburger Nachrichten

EU-Spitzen bereiten Preisdeckel auf Gas vor

12. Oktober 2022, Prag

Olaf Scholz fand sich auf dem EU-Gipfel in der ungewohnten Rolle des Buhmanns. Sein „Doppelwumms“ heizte die Debatte in Prag an.

Der Winter kommt. Und bevor es richtig kalt wird, dürfte auch eine EU-weite Preisobergrenze auf Gas kommen. Jedenfalls deutete auf dem informellen EU-Gipfel in Prag am Freitag alles darauf hin. Die 27 Staats- und Regierungschefs diskutierten darüber, wie die Gaspreise begrenzt werden könnten, damit auch die Rechnungen für die Endverbraucher sinken. Konkrete Entscheidungen soll es laut Kommissionschefin Ursula von der Leyen in zwei Wochen geben, wenn die Runde zu ihrem regulären Herbsttreffen in Brüssel zusammenkommt. Bis dahin wird die Kommission einen Vorschlag unterbreiten müssen.

Offen ist, welche Art von Preisdeckel gewählt wird – es sind mindestens drei im Gespräch: erstens nur auf Gas, das zur Stromproduktion benutzt wird; zweitens nur auf russisches Gas; drittens auf alle Importe sowie den innereuropäischen Handel.

Aus Deutschland und Österreich, die bisher äußerst skeptisch zu einem Preisdeckel standen, kommen nun wesentlich konziliantere Töne. „Österreich spricht sich für einen Gaspreisdeckel aus“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer sogar, nannte aber eine Bedingung: Dieser dürfe „nicht zu einem Embargo durch die Hintertür“ führen.

Die Alpenrepublik bezieht noch immer die Hälfte ihres Gasbedarfs aus Russland. Daher rührt die Sorge, Wladimir Putin könnte auf einen europäischen Preisdeckel mit dem völligen Zudrehen des Gashahns reagieren. Es wird daher auch um die Frage gehen, wie die von russischem Gas besonders Abhängigen – neben Österreich sind das vor allem Deutschland und Ungarn – im Fall des Falles genug Gas von den europäischen Partnern bekommen können. Eine Frage der Solidarität also.

Salzburger Nachrichten

Österreich sollte über den Winter kommen

6. Oktober 2022

Die Gasspeicher sind zu 80,4 Prozent voll. Warum Carola Millgramm von der E-Control noch keine Entwarnung gibt.

Zu mehr als 80 Prozent sind Österreichs Gasspeicher inzwischen gefüllt. Das wichtigste Ziel, das Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) für den kommenden Winter vorgegeben hat, ist damit bereits einen Monat früher als geplant erreicht. Die Voraussetzungen werden nun immer besser, dass Österreich ohne tiefgreifende Lenkungsmaßnahmen, die vor allem die Wirtschaft massiv träfen, über die kalte Jahreszeit kommt.

Carola Millgramm, Gas-Expertin in der E-Control, warnt allerdings vor einem zu entspannten Blick Richtung Winter. Alle Beteiligten sollten sich auf alle Szenarien vorbereiten. Gas zu sparen, sei extrem wichtig, „die Zeiten werden herausfordernd bleiben“, so Millgramm am Mittwoch.

Um 80 Prozent gingen die Gasflüsse aus Russland in die EU von Jänner 2021 bis jetzt zurück. LNG-Flüssiggas und norwegisches Gas haben die Mengen ersetzt, nach Österreich fließen sie über Deutschland und Italien. Selbst die Zerstörungen an den beiden Nord Stream Pipelines lösten keinen Preisschock mehr an den Märkten aus. Ob das auch so wäre, sollte die letzte offene Pipeline für russisches Gas Richtung Westeuropa, die über die Ukraine nach Österreich führt, unterbrochen werden, bleibt Spekulation. Derzeit ist der Spot-Gaspreis mit 130 Euro je Megawattstunde so niedrig wie seit Monaten nicht.

Kleine Zeitung

Mehr Gas sparen

5. Oktober 2022, Paris

Verbrauch sollte um ein Zehntel reduziert werden, um Engpässe zu vermeiden

Die Internationale Energieagentur IEA rät der EU zu Einsparungen beim Gasverbrauch, um leere Speicher und das Risiko von Versorgungsunterbrechungen in diesem Winter zu verhindern. Um die Gasvorräte bis zum Ende der Heizsaison auf einem angemessenen Niveau zu halten, müsse die Nachfrage im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre um 9 bis 13 Prozent reduziert werden, heißt es in dem am Montag in Paris vorgelegten Gasmarktbericht der IEA.

Dies stelle bei einem geringen Zufluss von Flüssiggas sicher, dass die Gasspeicher auf einem Niveau von 25 bis 30 Prozent gefüllt bleiben.

Ohne reduzierten Gasverbrauch und bei einem vollständigen russischen Lieferstopp ab November könnten die Speicherstände auf knapp fünf Prozent sinken, wenn zugleich nur wenig Flüssiggas in die EU geliefert wird.
Das würde das Risiko auf Versorgungsunterbrechungen im Falle eines späten Kälteeinbruchs erhöhen. Bei einem hohen Zufluss von Flüssiggas blieben die Speicher nach der IEA-Analyse zu weniger als 20 Prozent gefüllt.
"Der Einmarsch Russlands in der Ukraine und die drastische Reduzierung der Erdgaslieferungen nach Europa schaden Verbrauchern, Unternehmen und ganzen Volkswirtschaften erheblich - nicht nur in Europa, sondern auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern", sagte der IEA-Direktor für Energiemärkte und Sicherheit, Keisuke Sadamori.
"Die Aussichten für die Gasmärkte bleiben getrübt, nicht zuletzt wegen des rücksichtslosen und unberechenbaren Verhaltens Russlands, das den Ruf des Landes als zuverlässiger Lieferant erschüttert hat." Alles deute darauf hin, dass die Märkte bis weit in das Jahr 2023 hinein sehr angespannt bleiben, sagte er.

Der Tagesspiegel

Verstärkter Gasfluss nach Österreich

5. Oktober 2022

Auch zu Wochenbeginn ist mehr Gas ins Land gekommen als zuletzt. Der Füllstand der Speicher liegt bei den angepeilten 80 Prozent und dürfte noch steigen. Für diesen Winter sollte das reichen.

Ein Etappenziel ist erreicht, wenn auch teuer erkauft: Die Gasspeicher in Österreich sind mittlerweile zu gut 80 Prozent gefüllt. Für das vorsorglich eingespeicherte Gas haben die heimischen Versorger, internationalen Händler und lokalen Industriebetriebe aber ein Vielfaches dessen bezahlt, was 2021 in Vorbereitung auf die kalte Jahreszeit nötig war.
Haushalte in Österreich sind über die Mehrkosten entweder schon informiert worden, oder sie stoßen demnächst wohl auf Post von ihrem Lieferanten. Eine Verfünf- bis Versechsfachung der monatlichen Vorschreibung ist keine Seltenheit.
Dass die heimischen Gasspeicher trotz erheblich reduzierter Liefermengen aus Russland so voll geworden sind, ist keine Selbstverständlichkeit. „Damit haben wir eigentlich nicht gerechnet,“ gibt Carola Millgramm, Leiterin der Abteilung Gas in der E-Control, im Gespräch mit dem STANDARD zu.

Man sei davon ausgegangen, die Speicher bis zu Beginn der Heizsaison mindestens zu 80 Prozent befüllen zu können, allerdings ohne Haidach. Der im salzburgisch-oberösterreichisch-bayerischen Grenzgebiet befindliche der russischen Gazprom gehörende Speicher ist derzeit nur an das deutsche Gasnetz angeschlossen. Er wurde im vorigen Winter so gut wie leergepumpt und nicht wieder befüllt. Weil Gazprom die im Sommer gesetzlich fixierte „Use it or lose it“-Regelung ignoriert hat, wurden dem russischen Gasmonopolisten die Nutzungsrechte an Haidach aberkannt. Seitdem die RAG AG (Renewables and Gas), ein in Mehrheitsbesitz der EVN befindliches und bisher schon mit der technischen Betriebsführung von Haidach betrautes Unternehmen, auch für die Vermarktung des Speichers zuständig ist, hat sich einiges zum Positiven verändert.

Seit August wird nun auch in Haidach kontinuierlich Gas eingespeichert – von Deutschland aus. „Auch wenn der Speicher noch nicht an das österreichische Gasnetz angeschlossen ist, hilft uns ein guter Füllstand dort, weil Tirol und Vorarlberg von Bayern aus versorgt werden“, sagt Millgramm.

Der Standard