2039 Artikel gefunden:

EU sucht Wege aus dem Gaspreislabyrinth

12. Oktober 2022

Dass die Kosten für das rar gewordene Gut Gas hinunter müssen, darüber sind sich die EU-Mitgliedsstaaten im Prinzip einig. Doch die Vorstellungen, wie das erreicht werden kann, liegen nach wie vor weit auseinander.

Lange, intensive Debatten über Preisdeckel beim Gaseinkauf beziehungsweise Preisbremsen für Haushalte und Industrie, einander widersprechende Lösungsansätze der Staaten, Streit über nationale Hilfsmaßnahmen, aber keine Entscheidung, wohin die gemeinschaftliche Reise der 27 EU-Länder gehen wird. So lassen sich die Beratungen der Staats- und Regierungschefs beim informellen EU-Gipfel am Freitag in Prag zusammenfassen.

„Wir müssen den Gaspreis nach unten bringen“, erklärte Premierminister Krišjānis Kariņš aus Lettland zu Beginn der Beratungen noch optimistisch, „das wäre großartig“.

Dieser Zielsetzung stimmten alle beteiligten Staatenlenker im Prinzip gerne zu. Das große Problem dabei: „Eine solche Obergrenze darf nicht dazu führen, dass Lieferanten nicht mehr liefern“, wie Kariņš selbst einwandte. Genau das ist aber zu befürchten, wenn unangemessene EU-Preisvorgaben beim Einkauf von Gas auf den Weltmärkten von den Gaslieferanten nicht akzeptiert werden.

Die Folge wäre, dass jene EU-Staaten, deren Energieversorgung von Gas und insbesondere von russischem Gas stark abhängig ist, in noch größere Schwierigkeiten kommen würden als bisher. „Wir müssen da aufpassen“, warnte Luxemburgs Premier Xavier Bettel daher vor übereilten Schritten.

Seit Russland mit der Verknappung von Gas dafür gesorgt hat, dass die Großhandelspreise und in der Folge auch die Preise für die Konsumenten explodieren, ist der gesamte Energiemarkt in Europa durcheinandergeraten. Weil Gaskraftwerke bei der Stromerzeugung im offenen Binnenmarkt nach wie vor eine wichtige Rolle spielen, bei der Preisbildung an den Börsen entscheidend sind, wäre dringendes Handeln nötig. Die EU-Energieminister haben daher vor einer Woche ein Paket mit Notmaßnahmen beschlossen. Es zielt auf Einsparung beim Stromverbrauch sowie Preisdämpfung bei Strom ab, der aus Wasserkraft, Sonne oder Wind erzeugt wird.

Der Standard

Die Briten sichern ihre Bohrinseln

12. Oktober 2022, London

Im Gegensatz zu Österreich und anderen europäischen Ländern ist Großbritannien nur indirekt von russischen Gaslieferungen abhängig. Weniger als vier Prozent der Gasversorgung entfielen 2021 auf Importe aus Russland. Rund die Hälfte des Bedarfs kann das Land aus eigenen Quellen decken. Die rasant steigenden Preise auf dem globalen Energiemarkt führen jedoch auch in Großbritannien zu einer höheren Nachfrage nach alternativen Energien. Erschwerend kommt hinzu, dass der Bedarf auf der Insel hoch ist, weil vornehmlich Gas zum Heizen und zum Kochen genutzt wird.

Als Reaktion darauf veröffentlichte die konservative Regierung im April eine aktualisierte Sicherheitsstrategie. Demnach will man russische Öl- und Kohleimporte bis Ende 2022 und Gasimporte „so schnell wie möglich“ einstellen, hieß es damals. Außerdem sollen einheimische und kohlenstoffarme Energien innerhalb der nächsten 20 Jahre ausgebaut werden.

Bis 2030 könnten 95 Prozent der Elektrizität aus Sonne, Wind, Wasser und Atom stammen, ließ der damalige Premierminister Boris Johnson im Frühjahr ankündigen. Das Kernelement sind acht neue Atomreaktoren bis 2030. Bis 2050 soll sich die Produktion durch Atomenergie auf 24 Gigawatt mehr als verdreifachen und bis zu 25 Prozent des erwarteten Strombedarfs abdecken. Während sich Johnson gegen das sogenannte Fracking ausgesprochen hatte, schlug die neue Premierministerin Liz Truss im September einen anderen Kurs ein. Die Politikerin, die staatlichen Interventionen skeptisch gegenübersteht, hob das Moratorium auf, zu dem sich die Konservative Partei im Jahr 2019 bekannt hatte. Beim Fracking, das Gefahren für die Umwelt birgt, wird Gas oder Öl mithilfe von Druck und Chemikalien aus Gesteinsschichten extrahiert. Truss verteidigte die Entscheidung. „Fracking ist ein Teil des Energiemix, wir sollten alle Optionen prüfen“, sagte sie Mitte September am Rande der UN-Generalversammlung in New York. Mit dieser Maßnahme will die britische Regierung zudem sicherstellen, dass das Land bis 2040 mehr Energie exportiert, als es importiert.

Salzburger Nachrichten

EU-Spitzen bereiten Preisdeckel auf Gas vor

12. Oktober 2022, Prag

Olaf Scholz fand sich auf dem EU-Gipfel in der ungewohnten Rolle des Buhmanns. Sein „Doppelwumms“ heizte die Debatte in Prag an.

Der Winter kommt. Und bevor es richtig kalt wird, dürfte auch eine EU-weite Preisobergrenze auf Gas kommen. Jedenfalls deutete auf dem informellen EU-Gipfel in Prag am Freitag alles darauf hin. Die 27 Staats- und Regierungschefs diskutierten darüber, wie die Gaspreise begrenzt werden könnten, damit auch die Rechnungen für die Endverbraucher sinken. Konkrete Entscheidungen soll es laut Kommissionschefin Ursula von der Leyen in zwei Wochen geben, wenn die Runde zu ihrem regulären Herbsttreffen in Brüssel zusammenkommt. Bis dahin wird die Kommission einen Vorschlag unterbreiten müssen.

Offen ist, welche Art von Preisdeckel gewählt wird – es sind mindestens drei im Gespräch: erstens nur auf Gas, das zur Stromproduktion benutzt wird; zweitens nur auf russisches Gas; drittens auf alle Importe sowie den innereuropäischen Handel.

Aus Deutschland und Österreich, die bisher äußerst skeptisch zu einem Preisdeckel standen, kommen nun wesentlich konziliantere Töne. „Österreich spricht sich für einen Gaspreisdeckel aus“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer sogar, nannte aber eine Bedingung: Dieser dürfe „nicht zu einem Embargo durch die Hintertür“ führen.

Die Alpenrepublik bezieht noch immer die Hälfte ihres Gasbedarfs aus Russland. Daher rührt die Sorge, Wladimir Putin könnte auf einen europäischen Preisdeckel mit dem völligen Zudrehen des Gashahns reagieren. Es wird daher auch um die Frage gehen, wie die von russischem Gas besonders Abhängigen – neben Österreich sind das vor allem Deutschland und Ungarn – im Fall des Falles genug Gas von den europäischen Partnern bekommen können. Eine Frage der Solidarität also.

Salzburger Nachrichten