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Die Fallen des EU-Notfallplans

22. Juli 2022

Die EU-Kommission will sich für einen Gasausfall im Herbst rüsten, kann aber den Mitgliedstaaten nichts anschaffen.

Am Donnerstag könnte wieder Gas über die Nord-Stream-Pipelines von Russland in die EU fließen. Das geht zumindest aus den Daten des deutschen Netzbetreibers Gascade hervor. Gascade ist Betreiber der beiden Empfangspunkte von Nord Stream 1 im vorpommerschen Lubmin. Für beide Punkte sind Gaslieferungen vorgemerkt.

Es seien zirka 800 Gigawattstunden für Donnerstag angemeldet, teilte die deutsche Bundesnetzagentur am Mittwoch mit. Zum Vergleich: An den drei Tagen vor den Wartungsarbeiten waren es etwa 700 Gigawattstunden.
Doch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist weniger optimistisch. Sie hält einen kompletten Lieferstopp von Gas aus Russland für wahrscheinlich. „Wir müssen uns auf eine mögliche vollständige Unterbrechung der russischen Gasversorgung vorbereiten“, sagt sie. „Dies ist ein wahrscheinliches Szenario.“ Man habe schon in der Vergangenheit gesehen, dass Russland versuche, Druck auf die EU auszuüben, indem es die Gasversorgung reduziert.

Um ein derartiges Szenario abzufedern, hat die EU-Kommission nun einen Notfallplan präsentiert:
Was sieht der EU-Notfallplan vor? Die Mitgliedstaaten sollen 15 Prozent ihres durchschnittlichen Gasverbrauchs der letzten 5 Jahre in den kommenden Monaten verringern. Zudem sollen die Staaten ihre Notfallpläne bis Ende September aktualisieren. Der öffentliche Sektor, Unternehmen und Haushalte sollen aufgefordert werden, den Gasverbrauch zu reduzieren. Generell gibt es für den Fall einer Gasnotlage bereits einheitliche Regeln in der EU, die in der „SoS-Verordnung“ verankert sind. Österreich hat diese bereits 2019 umgesetzt. Die Vorgaben sind freiwillig, könnten aber im Fall einer Versorgungsnotlage obligatorisch gemacht werden, heißt es. Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben noch zustimmen. Voraussetzung für die Einführung von verpflichtenden Einsparzielen wäre, dass mindestens drei Staaten oder die EU-Kommission wegen einer Unterversorgung mit Gas akute Notsituationen befürchten.

Wiener Zeitung

Brüssel erwägt Pflicht zum Gassparen

20. Juli 2022
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Energiekrise. Die Europäische Kommission prüft die Option, den Mitgliedstaaten konkrete und rechtlich verbindliche Einsparungsziele für ihren Gasverbrauch vorzuschreiben.

Brüssel/Wien. Die OMV mag sich am Donnerstag mittels neuer Lieferverträge für zwei Gaspipelines aus Deutschland und Italien darauf vorbereitet haben, knapp den halben Jahresverbrauch Österreichs aus anderen Ländern als Russland zu decken (siehe Seite 1). Doch auf europäischer Ebene ist der drohende dauerhafte Stopp der russischen Lieferungen ein derart gravierendes Problem, dass ernsthaft darüber nachgedacht wird, den Mitgliedstaaten verbindlichen Einsparungsziele für diesen Winter vorzuschreiben.

"Im Geiste der Solidarität"

Das bestätigten zwei EU-Diplomaten der "Presse" unabhängig voneinander, und sie nannten auch die konkrete Rechtsgrundlage dafür. Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU sieht vor, dass der Rat "im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten über die der Wirtschaftslage angemessenen Maßnahmen beschließen" kann, und zwar "insbesondere falls gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren, vor allem im Energiebereich, auftreten".

Dieser Fall liegt zweifelsohne vor, falls die Wartung der Pipeline Nord Stream 1, über die der Staatskonzern Gazprom Europa versorgt, entgegen den Planungen nicht nächsten Mittwoch abgeschlossen ist und das Gas wieder fließt. Die jüngsten Äußerungen der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, machen es ziemlich deutlich, dass die Dauer der Wartung der Röhre nicht von den Fertigkeiten der Gazprom-Ingenieure abhängen dürfte, sondern vielmehr davon, ob sich der Westen den Erpressungsversuchen des Kreml beugt. "Der Einsatz der Gaspipeline in der Zukunft wird stark von unseren Partnern hinsichtlich der Gasnachfrage und der illegitimen Sanktionen abhängen", sagte Sacharowa, die selbst seit Monaten auf der Schwarzen Liste der EU steht.

Die Presse

Die Suche nach neuen Erdgas-Quellen im Ausland

20. Juli 2022
Gemeinsamer Gas-Notfallplan in der EU wird konkreter - Gaiberg, APA/AFP

OMV sichert sich Transportkapazitäten für 40 Terawattstunden

Nordsee. Norwegen ist nach Russland der zweitgrößte Erdgaslieferant der EU, Österreich bezieht etwa 11 Prozent seines Jahresbedarfs von dort. Im kommenden Winter könnte es deutlich mehr sein.

Die OMV ist über eine Tochter an mehreren norwegischen Gasfeldern beteiligt und fördert dort jährlich etwa 30 Terawattstunden (TWh) Gas. Dieses ist aber nicht per se für Österreich bestimmt, sondern geht an europäische Großabnehmer. Gas wird generell mit möglichst geringen Transportwegen verkauft, denn „jeder Kilometer kostet Geld“, so ein OMV-Sprecher zum KURIER.

Als Reaktion auf die Zweifel, ob Österreich heuer genug Gas von Hauptlieferant Russland bekommt, hat die OMV ihre langfristigen Lieferverbindlichkeiten zurückgefahren. Das bedeutet, dass sie vermehrt Gas am tagesaktuellen Spotmarkt verkauft, wo derzeit hohe Erträge erzielt werden können.

Die Versorgungssicherheit in Österreich wird aber erst durch die Kombination mit einem zweiten Schritt erhöht, den der Mineralölkonzern am Donnerstag bekannt gab: Die OMV hat sich ab Oktober zusätzliche Transportkapazitäten im europäischen Pipelinenetz gesichert. Bis Ende September 2023 können dadurch bis zu 40 TWh mehr Gas nach Österreich transportiert werden, einerseits aus der Produktion in Norwegen, aber auch aus Italien und über ein Flüssiggasterminal in Rotterdam. Die Menge deckt die Lieferverpflichtungen der OMV in Österreich ab. Zur Relation: Bisher sind in Österreich etwa 46 TWh eingespeichert, der Jahresbedarf lag zuletzt bei 98 TWh.

Kurier