Energiekrise. Die Europäische Kommission prüft die Option, den Mitgliedstaaten konkrete und rechtlich verbindliche Einsparungsziele für ihren Gasverbrauch vorzuschreiben.
Brüssel/Wien. Die OMV mag sich am Donnerstag mittels neuer Lieferverträge für zwei Gaspipelines aus Deutschland und Italien darauf vorbereitet haben, knapp den halben Jahresverbrauch Österreichs aus anderen Ländern als Russland zu decken (siehe Seite 1). Doch auf europäischer Ebene ist der drohende dauerhafte Stopp der russischen Lieferungen ein derart gravierendes Problem, dass ernsthaft darüber nachgedacht wird, den Mitgliedstaaten verbindlichen Einsparungsziele für diesen Winter vorzuschreiben.
"Im Geiste der Solidarität"
Das bestätigten zwei EU-Diplomaten der "Presse" unabhängig voneinander, und sie nannten auch die konkrete Rechtsgrundlage dafür. Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU sieht vor, dass der Rat "im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten über die der Wirtschaftslage angemessenen Maßnahmen beschließen" kann, und zwar "insbesondere falls gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren, vor allem im Energiebereich, auftreten".
Dieser Fall liegt zweifelsohne vor, falls die Wartung der Pipeline Nord Stream 1, über die der Staatskonzern Gazprom Europa versorgt, entgegen den Planungen nicht nächsten Mittwoch abgeschlossen ist und das Gas wieder fließt. Die jüngsten Äußerungen der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, machen es ziemlich deutlich, dass die Dauer der Wartung der Röhre nicht von den Fertigkeiten der Gazprom-Ingenieure abhängen dürfte, sondern vielmehr davon, ob sich der Westen den Erpressungsversuchen des Kreml beugt. "Der Einsatz der Gaspipeline in der Zukunft wird stark von unseren Partnern hinsichtlich der Gasnachfrage und der illegitimen Sanktionen abhängen", sagte Sacharowa, die selbst seit Monaten auf der Schwarzen Liste der EU steht.
Die Presse