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Gewessler: Versorgungslage bei Gas weiter „sehr angespannt“

27. Juli 2022, angespannt

Seit Freitag ist die Verordnung für die technische Umrüstung von Kraftwerken in Begutachtung.

Trotz wieder höherer Gaslieferungen aus Russland ist die Situation für Österreich aus Sicht von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) weiterhin „sehr angespannt“. Es sei aber „eine positive Entwicklung“, dass wieder mehr Gas fließe und eingespeichert werde, sagte Gewessler nach einem Gasinfrastrukturgipfel mit Unternehmen und den Sozialpartnern am Freitag in Wien. „Wir dürfen uns nicht in falscher Sicherheit wiegen.“

Kritik übte die Ministerin abermals am russischen Präsidenten. „Putin verwendet Gas als Waffe. Auch wenn heute wieder mehr Gas fließt, wir sind weiterhin abhängig“, sagte sie. „Wir müssen unabhängig werden, da liegt noch ein langer Weg vor uns.“

Wie Gewessler mitteilte, ist die Verordnung für die technische Umrüstung von Kraftwerken am Freitag in Begutachtung gegangen. Wo es technisch möglich ist, sollten Kraftwerke demnach statt mit Gas mit anderen Energieträgern betrieben werden. Geplant ist unter anderem die Wiederinbetriebnahme des steirischen Kohlekraftwerks Mellach (Graz-Umgebung) durch den Verbund.

Weitere Gesprächsrunden An dem Gasinfrastrukturgipfel nahm auch Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) teil. „Ziel des Treffens war der Austausch über aktuelle Maßnahmen rund um die bestehende Gasinfrastruktur und über die Priorisierung bestimmter Gasinfrastrukturprojekte“, erklärte der frühere Chef des Instituts für Höhere Studien. Das Treffen sei konstruktiv verlaufen. Gesprochen habe man unter anderem über Infrastrukturprojekte, um die Energieversorgungssicherheit nicht nur kurz-, sondern auch mittel- und langfristig sicherstellen zu können. Mit den verantwortlichen Institutionen und Unternehmen werde man nun weiter sprechen, um die Gasinfrastruktur zu verbessern. Kocher erinnerte auch daran, dass Österreich „sehr lange“ von der Versorgung mit günstigem Gas aus Russland profitiert habe.

Zu den Vorstößen von Teilen der ÖVP, die CO₂ -Steuer nochmals auszusetzen, gab sich Gewessler diplomatisch und verwies auf den Klimabonus, der ein „zentrales Element der Entlastung“ sei. Im Übrigen sei es immer gut „wenn sich die Bundesländer einbringen“. Auch dazu, dass der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zuletzt konkrete Einsparungsziele angesprochen hat (bis hin zu einem Gasheizverbot für private Pools), gab sich Gewessler zurückhaltend. Gas zu sparen sei ein „zentrales Thema“, „das hilft immer“. Hier werde es auch im Herbst eine Informationskampagne geben, so die Ministerin.

Wiener Zeitung

„Gas sparen, wo immer es geht, ist die Devise“

27. Juli 2022, Wien

Konjunktur. Im Fall eines Gaslieferstopps müsste Österreich seinen Verbrauch um 27 Prozent reduzieren, die Wirtschaft würde deutlich schrumpfen, so das IHS. Die Politik solle sich "auf ein Worst-Case-Szenario vorbereiten".

Zuerst die gute Nachricht: Österreichs Wirtschaft dürfte in den kommenden Jahren stärker wachsen als in den zurückliegenden. Das Institut für Höhere Studien (IHS) erwartet für den Zeitraum 2022 bis 2026 ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 1,8 Prozent im Jahr. Das ist deutlich mehr als die je 0,8 Prozent in den vergangenen fünf Jahren. Ein guter Teil davon ist aber durch statistische Effekte zu begründen. Denn das vergleichsweise starke durchschnittliche Wirtschaftswachstum sei hauptsächlich auf das Jahr 2022 zurückzuführen, das mit einem Wachstum von 3,8 Prozent glänzte. "Und das wird getrieben durch den Aufholprozess nach der Coronakrise", sagte der IHS-Ökonom Helmut Hofer am Donnerstag.

Besonderes Augenmerk richteten die Ökonomen für ihre mittelfristige Prognose auf die Auswirkungen eines möglichen Gaslieferstopps auf die österreichische Wirtschaft. Vom Ukraine-Krieg und einem möglichen Ausfall der russischen Gaslieferungen gehe derzeit das größte Risiko für die österreichische Wirtschaft aus.
Die Ökonomen erwarten in ihrer Modellrechnung, dass nach Einsetzen eines Embargos ein Rückgang von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erwarten wäre. Gesetzt die Annahme, dass im Zeitraum vom Herbst 2022 bis Sommer 2023 in Österreich 27 Prozent des Erdgasverbrauchs eingespart werden müssten.

Kurier

„Kaum jemand würde Österreich beliefern“

27. Juli 2022

Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck erklärt seine Politik: offen informieren, Menschen ernst nehmen, um selber ernst genommen zu werden. Vom Preisdeckel für Gas und Strom hält er nichts.

Am Ende eines langen Besuchstages mit drei Ministergesprächen traf der deutsche Vizekanzler Robert Habeck am Dienstag Präsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg. Kurz davor erklärte er dem Standard, was er in Wien gelernt habe. Von einem Alleingang beim Preisdeckel für Gas und Strom rät er Österreich ab. Eine Lösung sei nur auf EU-Ebene sinnvoll. Und der Wirtschaftsminister gab Einblick in seine politische Philosophie: Offenheit, auf Augenhöhe mit den Bürgern. Demokratie, das sei der größte Unterschied zu Wladimir Putins Russland.

STANDARD: Sie haben sich selbst einmal als „pragmatischer Idealist“ eingeordnet. Was ist in dieser tiefen Krise wichtiger in der Politik, pragmatisch zu sein oder Idealist?

Habeck: Der Gedanke dahinter ist, dass das keine Gegensätze sind, das eine das andere nicht ausschließt, sondern gegenseitig bedingt. Wenn man nicht bereit ist, im Alltag den nächsten Schritt zu gehen, in dem Sinne, sich auch einmal die Hände schmutzig zu machen, aus einer Sorge heraus, die reine Lehre ein Stück weit zu verraten, dann kommt man nicht voran. Aber wenn man andererseits nur dem Alltag verhaftet ist und keinen Wertekompass mehr hat, nicht mehr weiß, was die große Herausforderung unserer Zeit ist, dann vertut man sich vor lauter kleinen Dingen. Insofern würde ich sagen, ist dieses Gegensatzpaar von Pragmatismus und Idealismus eigentlich eine Polarität mit einer gewissen Spannung, die wir brauchen.

STANDARD: Bei Ihnen fällt auf, dass Sie die Probleme und Krisen öffentlich direkt ansprechen wie wenige Politiker in Europa. Sie warnten gar vor apokalyptischen Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Und trotzdem sind Sie einer der beliebtesten Politiker in Ihrem Land. Wie erklären Sie sich das?

Der Standard

„Das ist die harte Realität des Marktes“

27. Juli 2022

Interview. Der deutsche Vizekanzler, Robert Habeck, lehnt einen Preisdeckel für Energie ab. Warum er sich noch nicht auf Proteste einstellt, wie er mit dem Ruf als "sympathische Kassandra" umgeht und wie er auf Putin antwortet.

Die Presse: Sie haben gerade in Wien eine gemeinsame Erklärung über die Gasversorgung unterschrieben. Was bedeutet die in der Praxis, oder anders gefragt: Wenn es zum Notfall kommt, reicht nun ein Telefonat?

Robert Habeck: Ich habe mit den Kollegen der EU-Energieminister ein enges Verhältnis, man telefoniert sehr viel, wir tauschen uns sehr eng und regelmäßig aus, und das ist in diesen Zeiten auch sehr wichtig. Österreich und Deutschland verfügen bereits über ein Solidaritätsabkommen, und wir haben uns jetzt verständigt, unsere Zusammenarbeit bei Energiesicherheitsfragen noch einmal zu vertiefen. Deutschland und Österreich haben eine Verbindung über die Speicher: Österreich hat Speicher, die bisher Deutschland genutzt hat. Umgekehrt geht Gas von Deutschland nach Österreich. Auch bei LNG-Terminals wollen wir zusammenarbeiten. Wenn österreichische Unternehmen hier Kapazitäten buchen wollen, dann gibt es diese Möglichkeiten. Wir brauchen diese Zusammenarbeit, und wir brauchen die Solidaritätsabkommen. Ich werbe daher sehr dafür, dass wir hier auf europäischer Ebene nochmals konkreter werden und eine weitergehende Regelung treffen müssen, wie wir in einem Notfall gemeinsam agieren. Solidarität ist das Gebot der Stunde.

Die Presse

Gazprom droht mit Lieferstopp auch nach der Wartung von Nord Stream 1

27. Juli 2022, Moskau

Nervenkrieg um Gaslieferung und eine ominöse Turbine von Siemens in Kanada

Der Nervenkrieg rund ums Gas zwischen Russland und Europa spitzt sich zu. Der russische Gaskonzern Gazprom hat den Weiterbetrieb der Pipeline Nord Stream 1 vor dem Hintergrund der Reparatur einer dafür notwendigen Turbine in Kanada in Frage gestellt. Gazprom habe bisher keine schriftliche Bestätigung, dass die reparierte Turbine aus Kanada dem für die Installation verantwortlichen Unternehmen Siemens tatsächlich geliefert werde, hieß es am Mittwoch in einer Erklärung des russischen Konzerns. "Unter diesen Umständen" könne Gazprom den künftigen Betrieb der Leitung nicht garantieren, teilte der Gaskonzern mit.

Die Turbine als Vorwand

Unter Verweis auf die defekte Turbine hatte Russland die Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline bereits Mitte Juni stark gedrosselt. Die Turbine wurde daraufhin zur Reparatur in ein Siemens-Werk in Kanada gebracht. Wegen kanadischer Sanktionen gegen Russland war zunächst nicht klar, ob die Rücksendung des inzwischen reparierten Gerätes möglich ist.

Am Wochenende gab die Regierung in Ottawa jedoch grünes Licht für die Ausfuhr. Der Siemens-Konzern kündigte an, die Turbine so schnell wie möglich zu installieren. "Gazprom verfügt über kein einziges Dokument, das es Siemens erlaubt, den Gasturbinenmotor, der derzeit in Kanada repariert wird, aus dem Land zu holen", erklärte der russische Konzern hingegen.

Dies ist nach Ansicht europäischer Experten freilich nur ein Vorwand der Russen, um die Gaslieferungen nach Europa weiter zu drosseln.

Oberösterreichische Nachrichten

Die Fallen des EU-Notfallplans

22. Juli 2022

Die EU-Kommission will sich für einen Gasausfall im Herbst rüsten, kann aber den Mitgliedstaaten nichts anschaffen.

Am Donnerstag könnte wieder Gas über die Nord-Stream-Pipelines von Russland in die EU fließen. Das geht zumindest aus den Daten des deutschen Netzbetreibers Gascade hervor. Gascade ist Betreiber der beiden Empfangspunkte von Nord Stream 1 im vorpommerschen Lubmin. Für beide Punkte sind Gaslieferungen vorgemerkt.

Es seien zirka 800 Gigawattstunden für Donnerstag angemeldet, teilte die deutsche Bundesnetzagentur am Mittwoch mit. Zum Vergleich: An den drei Tagen vor den Wartungsarbeiten waren es etwa 700 Gigawattstunden.
Doch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist weniger optimistisch. Sie hält einen kompletten Lieferstopp von Gas aus Russland für wahrscheinlich. „Wir müssen uns auf eine mögliche vollständige Unterbrechung der russischen Gasversorgung vorbereiten“, sagt sie. „Dies ist ein wahrscheinliches Szenario.“ Man habe schon in der Vergangenheit gesehen, dass Russland versuche, Druck auf die EU auszuüben, indem es die Gasversorgung reduziert.

Um ein derartiges Szenario abzufedern, hat die EU-Kommission nun einen Notfallplan präsentiert:
Was sieht der EU-Notfallplan vor? Die Mitgliedstaaten sollen 15 Prozent ihres durchschnittlichen Gasverbrauchs der letzten 5 Jahre in den kommenden Monaten verringern. Zudem sollen die Staaten ihre Notfallpläne bis Ende September aktualisieren. Der öffentliche Sektor, Unternehmen und Haushalte sollen aufgefordert werden, den Gasverbrauch zu reduzieren. Generell gibt es für den Fall einer Gasnotlage bereits einheitliche Regeln in der EU, die in der „SoS-Verordnung“ verankert sind. Österreich hat diese bereits 2019 umgesetzt. Die Vorgaben sind freiwillig, könnten aber im Fall einer Versorgungsnotlage obligatorisch gemacht werden, heißt es. Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben noch zustimmen. Voraussetzung für die Einführung von verpflichtenden Einsparzielen wäre, dass mindestens drei Staaten oder die EU-Kommission wegen einer Unterversorgung mit Gas akute Notsituationen befürchten.

Wiener Zeitung

Brüssel erwägt Pflicht zum Gassparen

20. Juli 2022
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Energiekrise. Die Europäische Kommission prüft die Option, den Mitgliedstaaten konkrete und rechtlich verbindliche Einsparungsziele für ihren Gasverbrauch vorzuschreiben.

Brüssel/Wien. Die OMV mag sich am Donnerstag mittels neuer Lieferverträge für zwei Gaspipelines aus Deutschland und Italien darauf vorbereitet haben, knapp den halben Jahresverbrauch Österreichs aus anderen Ländern als Russland zu decken (siehe Seite 1). Doch auf europäischer Ebene ist der drohende dauerhafte Stopp der russischen Lieferungen ein derart gravierendes Problem, dass ernsthaft darüber nachgedacht wird, den Mitgliedstaaten verbindlichen Einsparungsziele für diesen Winter vorzuschreiben.

"Im Geiste der Solidarität"

Das bestätigten zwei EU-Diplomaten der "Presse" unabhängig voneinander, und sie nannten auch die konkrete Rechtsgrundlage dafür. Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU sieht vor, dass der Rat "im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten über die der Wirtschaftslage angemessenen Maßnahmen beschließen" kann, und zwar "insbesondere falls gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren, vor allem im Energiebereich, auftreten".

Dieser Fall liegt zweifelsohne vor, falls die Wartung der Pipeline Nord Stream 1, über die der Staatskonzern Gazprom Europa versorgt, entgegen den Planungen nicht nächsten Mittwoch abgeschlossen ist und das Gas wieder fließt. Die jüngsten Äußerungen der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, machen es ziemlich deutlich, dass die Dauer der Wartung der Röhre nicht von den Fertigkeiten der Gazprom-Ingenieure abhängen dürfte, sondern vielmehr davon, ob sich der Westen den Erpressungsversuchen des Kreml beugt. "Der Einsatz der Gaspipeline in der Zukunft wird stark von unseren Partnern hinsichtlich der Gasnachfrage und der illegitimen Sanktionen abhängen", sagte Sacharowa, die selbst seit Monaten auf der Schwarzen Liste der EU steht.

Die Presse

Die Suche nach neuen Erdgas-Quellen im Ausland

20. Juli 2022
Gemeinsamer Gas-Notfallplan in der EU wird konkreter - Gaiberg, APA/AFP

OMV sichert sich Transportkapazitäten für 40 Terawattstunden

Nordsee. Norwegen ist nach Russland der zweitgrößte Erdgaslieferant der EU, Österreich bezieht etwa 11 Prozent seines Jahresbedarfs von dort. Im kommenden Winter könnte es deutlich mehr sein.

Die OMV ist über eine Tochter an mehreren norwegischen Gasfeldern beteiligt und fördert dort jährlich etwa 30 Terawattstunden (TWh) Gas. Dieses ist aber nicht per se für Österreich bestimmt, sondern geht an europäische Großabnehmer. Gas wird generell mit möglichst geringen Transportwegen verkauft, denn „jeder Kilometer kostet Geld“, so ein OMV-Sprecher zum KURIER.

Als Reaktion auf die Zweifel, ob Österreich heuer genug Gas von Hauptlieferant Russland bekommt, hat die OMV ihre langfristigen Lieferverbindlichkeiten zurückgefahren. Das bedeutet, dass sie vermehrt Gas am tagesaktuellen Spotmarkt verkauft, wo derzeit hohe Erträge erzielt werden können.

Die Versorgungssicherheit in Österreich wird aber erst durch die Kombination mit einem zweiten Schritt erhöht, den der Mineralölkonzern am Donnerstag bekannt gab: Die OMV hat sich ab Oktober zusätzliche Transportkapazitäten im europäischen Pipelinenetz gesichert. Bis Ende September 2023 können dadurch bis zu 40 TWh mehr Gas nach Österreich transportiert werden, einerseits aus der Produktion in Norwegen, aber auch aus Italien und über ein Flüssiggasterminal in Rotterdam. Die Menge deckt die Lieferverpflichtungen der OMV in Österreich ab. Zur Relation: Bisher sind in Österreich etwa 46 TWh eingespeichert, der Jahresbedarf lag zuletzt bei 98 TWh.

Kurier