Selbst die Grünen können sich vorstellen, dass die letzten deutschen AKW noch einige Monate länger in Betrieb bleiben.
Das Datum ist seit langem festgelegt: Am 31. Dezember dieses Jahres endet die Laufzeit der letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland. Der Ausstieg aus der Atomenergie, eingeleitet nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima 2011, könnte angesichts des Krieges in der Ukraine aber zumindest übergangsweise zurückgenommen werden. Denn sollte Gas aus Russland weiterhin in zu geringer Menge durch die Pipeline Nord Stream 1 bis zum Endpunkt im nordostdeutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern fließen, droht dem bevölkerungsreichsten Land und der größten Volkswirtschaft der EU ein gravierendes Energieproblem.
Alle Optionen sind daher derzeit in Diskussion, und neben dem Oppositionsführer CDU/CSU tritt auch die kleinste Regierungspartei, die liberale FDP, energisch für eine Renaissance der Atomkraft ein. „Wir müssen einen Weiterbetrieb so lange ermöglichen, bis die Gefahr eines Engpasses beseitigt ist“, sagte CDU-Vorsitzender Friedrich Merz gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sieht in der Laufzeitverlängerung deutscher AKW einen Akt europäischer Dimension: „Nicht nur Deutschland steht vor einer schweren Energiekrise, sondern ganz Europa.“
Als Minimalvariante gilt der sogenannte Streckbetrieb. Die Kernkraftwerke würden zunächst gedrosselt, damit sie dann mit den vorhandenen Brennstäben auch über den Jahreswechsel hinaus betrieben werden können. Im Gespräch ist das bis zum Ende des Winters, aber auch eine Verlängerung bis zum Sommer steht im Raum. Mehr Strom bekommt man dadurch allerdings nicht, die Produktion wird nur über einen längeren Zeitraum gedehnt. Die Idee dahinter: Erdgas wird in Deutschland primär zum Heizen verwendet. Es trägt aber auch zur Stromproduktion bei. Wenn man länger auf Atomenergie setzen würde, könnte somit mehr Gas zum Heizen genutzt werden.
Wiener Zeitung