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Deutsche Gasumlage wackelt

28. September 2022

Die Lastenverteilung in Sachen Gaskosten wird angesichts der nun zusätzlich geforderten Energiepreisbremse sowie der Uniper-Verstaatlichung in Frage gestellt.

Es stellt sich mir bei der Gasumlage weniger die Rechtsfrage, sondern immer mehr die wirtschaftliche Sinnfrage. Wir haben eine Gasumlage, die den Preis erhöht. Aber wir brauchen eine Gaspreisbremse, die den Preis senkt“, erklärt der deutsche Finanzminister Christian Linder (FDP) am Wochenende. Er antwortet damit seinem Kollegen, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Dieser hatte bereits in der Woche davor noch zu klärende Fragen bei der Gasumlage geortet. Schließlich erklärten am Wochenende dann Vertreter aller drei Parteien der Ampelkoalition, die Gasumlage nicht weiter zu verfolgen. „Es wird jetzt unter Hochdruck eine gute Gesamtlösung erarbeitet“, hieß es am Montag von Regierungsseite. Eine Gaspreiskommission soll eine Lösung ausarbeiten, wie Versorgungssicherheit und Energiepreisdeckel umgesetzt werden können.

Faire Lastenverteilung und Preisdeckel

Die Gasumlage sollte laut offizieller Formulierung der deutschen Bundesregierung „eine faire Verteilung der Lasten auf viele Schultern“ ermöglichen. Verbraucher, Unternehmen und Gasimporteure würden demnach jeweils einen Teil der Mehrkosten beim Gas tragen, die sich durch den Ausfall der Lieferungen aus Russland ergeben haben.
Die Umlage für alle Gasnutzer war auf rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde festgelegt worden. „Um die Belastungen für private Haushalte durch gestiegene Gaspreise abzufedern, wird die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt“, gab man zeitgleich offiziell bekannt.

Nun ist die Situation in Sachen Energiekosten jedoch so ernst, dass man im Nachbarland auch über eine Preisbremse nachdenkt. Am Wochenende wurde bekannt, mit welchen Zahlen Deutschland hier rechnet: Eine mögliche Deckelung der Gaspreise würde 2,5 Milliarden Euro aus der Staatskasse kosten. Die Endverbraucherpreise bei Gas könnten so um einen Cent je Kilowattstunde gesenkt werden. Bei Strom würde der Preisdeckel mit 1,3 Milliarden Euro pro Cent und Kilowattstunde zu Buche schlagen. Dies geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Linken-Anfrage hervor, die den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland am Sonntag vorlag.

Wiener Zeitung

In Deutschland wackelt die Gasumlage

28. September 2022, Berlin

Umstrittene Abgabe könnte vor Einführung eingestampft werden.

Trotz hoher Preise für Energie und Lebensmittel sollten die Verbraucher in Deutschland auch noch mithelfen, Gasimporteure mit Milliarden zu retten. Diese Idee der Bundesregierung stieß vielen sauer auf. Jetzt wird immer deutlicher: Die Gasumlage könnte vor ihrer Einführung Anfang Oktober schon Geschichte sein.

Die deutsche Bundesregierung kündigte am Montag eine schnelle Lösung zur Zukunft der umstrittenen Gasumlage an. Die Struktur einer Gesamtlösung werde „sehr schnell“ in einem geordneten Verfahren sichtbar, sagte ein Regierungssprecher am Montag. Dabei geht es nicht nur um die Gasumlage, sondern auch um eine mögliche Gaspreisbremse. Hinter den Kulissen wird nun verhandelt. In Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums hieß es, eine „geordnete Ablösung“ der Gasumlage sei sinnvoll. Wichtig sei aber eine alternative Finanzierung, um die Stabilisierung der Gasmärkte sicherzustellen.

In der Ampelkoalition sind immer mehr Politiker der Meinung, dass die Gasumlage nicht erhoben werden soll. Sie soll laut bisherigem Plan Anfang Oktober in Kraft treten, alle Gaskunden sollten dann rund 2,4 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde draufzahlen. Der größte Teil des Gelds sollte an zwei Gasimporteure gehen, die besonders vom Russland-Geschäft abhängig sind: Uniper und die ehemalige Gazprom-Tochter Sefe. Doch inzwischen ist klar, dass Uniper verstaatlicht werden soll. Auch bei der mittlerweile unter Kontrolle des Bundes stehenden Sefe könnte der Staat stärker einsteigen.

Salzburger Nachrichten

Seit 1.001 Tagen keine Förderung für neuen Ökostrom

28. September 2022

Energiewende? Trotz Krise fehlt türkis-grüne Einigung für notwendige Verordnung

Österreich, ganz Europa, befindet sich in der größten Energiekrise seit Jahrzehnten. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verursacht Preisrallyes an den Energiebörsen. Russlands Präsident Putin versucht, durch gedrosselte oder gestoppte Energieexporte Europa in die Knie zu zwingen. Eine Reaktion der Europäer ist der Fokus auf den Ausbau erneuerbarer Energien in Richtung mehr Energie-Unabhängigkeit. Mehr Ökostrom, und mehr Tempo beim Ausbau, so die Devise.

In Österreich hat hingegen seit 1.001 Tagen kein neuer Windpark eine Förderzusage bekommen. Mit insgesamt 140 Megawatt warten etwa 40 Windkraftanlagen seit dem Start von Türkis-Grün Anfang 2020 auf einen Startschuss.
Schuld ist seit Monaten das Fehlen einer simplen Verordnung: Die Marktprämienverordnung regelt eine garantierte Prämie für Ökostromanlagen. Diese Prämie liegt zwar deutlich unter dem aktuellen Strompreis je Kilowattstunde, dennoch ist sie wichtig, weil sie beispielsweise für Windkraftanlagen eine Art Versicherung ist, dass sie auch noch wirtschaftlich laufen können, wenn der Strompreis wieder so niedrig ist wie vor der Krise.

„Es ist jetzt Handlungsbedarf. Die fehlende Verordnung verhindert eine rasche Umsetzung des Ausbaus. Und je länger wir warten müssen, desto teurer werden die Anlagen, denn die Preise steigen stetig – für die Anlagen, für Stahl, Kupfer und den Transport“, zeigt Stefan Moidl vom Branchenverband IG Windkraft auf.

Kurier

Bringt Putin am Ende noch Gazprom um?

21. September 2022, Moskau

Analyse. Seit Kriegsbe-ginn wird der Gasriese missbraucht wie nie. Noch verdient er üppig. Das kann sich schnell ändern. Was dann?

Wenn Insider des weltgrößten Gaskonzerns, Gazprom, der knapp 500.000 Leute beschäftigt und von dem Schätzungen zufolge zusätzlich etwa eine Million Russen aus vorgelagerten Sektoren abhängen, von seinem Innenleben erzählen, mangelt es nicht an erheiternden Schnurren. Gerade Alexej Miller, seit 2001 Chef des Unternehmens, sorgt für unvorteilhafte Anekdoten. Etwa mit einem seiner Spitznamen: Postler wird er hinter seinem Rücken angeblich genannt. Miller sei nämlich der, der zu Wladimir Putin mit Berichten laufe, die so erstellt seien, dass sie dem Kremlchef gefallen. Und Miller sei es auch, der mit Aufträgen an den Konzern aus dem Kreml zurückkomme. Kurz: Miller mache, was Putin sage.

Ist der halb staatliche Konzern also zu einem Werkzeug des Kreml geworden, um außenpolitisch mit dem Gashahn durchzusetzen, was anders nicht zu erreichen ist?

Drei Funktionen

Es sei dies eine der drei Funktionen, die Gazprom nach Putins Machtantritt im Jahr 2000 immer mehr bekommen habe, sagt Michail Krutichin, Partner des Moskauer Energieberaters Rus Energy, zur "Presse". Eine zweite Funktion sei, staatliche Gelder in die privaten Hände von Freunden des Kremlchefs zu lenken, indem Gazprom unnötige und sündteure Megaprojekte ohne Ausschreibung an deren Baufirmen übergebe — "der Bau eines russischen Pipelinekilometers ist bis zu drei Mal so teuer wie in anderen Ländern". Nur die dritte Funktion von Gazprom sei laut Krutichin die kommerzielle, nämlich Gas zu fördern, zu transportieren und zu verkaufen — etwas, das die Russen über Jahrzehnte zuverlässig erledigt hätten.

Heute freilich, im siebenten Monat des Ukraine-Krieges, ist genau diese Hauptfunktion und -tätigkeit gestört wie nie, weil der Verkauf in Europa, Gazproms Cashcow, drastisch reduziert wurde.

Jüngster Höhepunkt ist der Lieferstopp über die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland. Schon zuvor, Ende April, wurde die Lieferung nach Bulgarien ausgesetzt und die Durchleitung durch die Pipeline Jamal über Belarus nach Polen vom Staat verboten, weil Polen Gazprom sanktioniert hatte. Und im September wurden die Lieferungen an den französischen Konzern Engie eingestellt, da dieser nach russischer Darstellung die Julirechnungen noch nicht bezahlt habe. Gazprom wolle mit dem Manipulieren beim Exportvolumen die Sanktionsentscheidungen der EU-Kommission beeinflussen, sagte der renommierte russische Ex-Zentralbanker und Finanzökonom Oleg Wjugin, kürzlich im Interview mit der "Presse".

Die Presse