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Bringt Putin am Ende noch Gazprom um?

21. September 2022, Moskau

Analyse. Seit Kriegsbe-ginn wird der Gasriese missbraucht wie nie. Noch verdient er üppig. Das kann sich schnell ändern. Was dann?

Wenn Insider des weltgrößten Gaskonzerns, Gazprom, der knapp 500.000 Leute beschäftigt und von dem Schätzungen zufolge zusätzlich etwa eine Million Russen aus vorgelagerten Sektoren abhängen, von seinem Innenleben erzählen, mangelt es nicht an erheiternden Schnurren. Gerade Alexej Miller, seit 2001 Chef des Unternehmens, sorgt für unvorteilhafte Anekdoten. Etwa mit einem seiner Spitznamen: Postler wird er hinter seinem Rücken angeblich genannt. Miller sei nämlich der, der zu Wladimir Putin mit Berichten laufe, die so erstellt seien, dass sie dem Kremlchef gefallen. Und Miller sei es auch, der mit Aufträgen an den Konzern aus dem Kreml zurückkomme. Kurz: Miller mache, was Putin sage.

Ist der halb staatliche Konzern also zu einem Werkzeug des Kreml geworden, um außenpolitisch mit dem Gashahn durchzusetzen, was anders nicht zu erreichen ist?

Drei Funktionen

Es sei dies eine der drei Funktionen, die Gazprom nach Putins Machtantritt im Jahr 2000 immer mehr bekommen habe, sagt Michail Krutichin, Partner des Moskauer Energieberaters Rus Energy, zur "Presse". Eine zweite Funktion sei, staatliche Gelder in die privaten Hände von Freunden des Kremlchefs zu lenken, indem Gazprom unnötige und sündteure Megaprojekte ohne Ausschreibung an deren Baufirmen übergebe — "der Bau eines russischen Pipelinekilometers ist bis zu drei Mal so teuer wie in anderen Ländern". Nur die dritte Funktion von Gazprom sei laut Krutichin die kommerzielle, nämlich Gas zu fördern, zu transportieren und zu verkaufen — etwas, das die Russen über Jahrzehnte zuverlässig erledigt hätten.

Heute freilich, im siebenten Monat des Ukraine-Krieges, ist genau diese Hauptfunktion und -tätigkeit gestört wie nie, weil der Verkauf in Europa, Gazproms Cashcow, drastisch reduziert wurde.

Jüngster Höhepunkt ist der Lieferstopp über die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland. Schon zuvor, Ende April, wurde die Lieferung nach Bulgarien ausgesetzt und die Durchleitung durch die Pipeline Jamal über Belarus nach Polen vom Staat verboten, weil Polen Gazprom sanktioniert hatte. Und im September wurden die Lieferungen an den französischen Konzern Engie eingestellt, da dieser nach russischer Darstellung die Julirechnungen noch nicht bezahlt habe. Gazprom wolle mit dem Manipulieren beim Exportvolumen die Sanktionsentscheidungen der EU-Kommission beeinflussen, sagte der renommierte russische Ex-Zentralbanker und Finanzökonom Oleg Wjugin, kürzlich im Interview mit der "Presse".

Die Presse

Geheimnisvolle Erdgasspeicher

20. September 2022
Erdgas-Lecks könnten eine Ursache für Methan-Anstieg sein - Kiel, APA/dpa

Im liberalisierten Gasmarkt gleichen Anschaffung und Vorratshaltung einer Geheimwissenschaft. Dutzende Lieferanten speichern in Österreich ein. Die E-Control ermittelt, wie viel davon für Österreichs Versorgung zur Verfügung steht.

Langsam füllen sich die Erdgasspeicher. Zu 71,5 Prozent seien die Lager in Österreich inzwischen gefüllt, wird die Regierung nicht müde zu betonen. Wie viel davon für die privaten Haushalte zur Verfügung steht und wie viel für Energieerzeuger und Unternehmen, lässt sich so einfach nicht feststellen. Denn die mit der Lieferung beauftragten Händler können und müssen weder Mengen noch Auftraggeber nennen. Lediglich der Regulierungsbehörde E-Control muss dies auf Anfrage mitgeteilt werden.

Genau damit ist die E-Control laufend beschäftigt. Sie ermittelt dies quasi wie den täglichen Wasserstand. Daraus ergibt sich ein sehr diversifiziertes Bild. Denn als physisch geliefert gilt das Erdgas erst dann, wenn es zum vereinbarten Stichtag tatsächlich geliefert wird. Je nach Terminkontrakt reifen die Lieferverträge ab.

Fest steht, dass von der strategischen Reserve, die die Republik Österreich im Volumen von 20 Terawattstunden (TWh) erstmals anlegt, bis dato vier TWh physisch eingelagert wurden. Das klingt nach wenig, ist aber nur bedingt aussagekräftig, weil eben besagte Lieferverträge mit Gashandelsunternehmen geschlossen wurden, die erst zum Stichtag gezählt werden können. Die dafür notwendigen Transportkapazitäten im Gasnetz hat sich die OMV gesichert. Sie bekommt dafür vom Staat die Maut bezahlt. Besteller ist die AGGM, der Marktgebietsmanager im heimischen Gasmarkt.

Grundsätzlich gilt: Das Gas gehört immer dem, der es kauft und einspeichern lässt. Dazu gehören auch Kunden aus Nachbarländern wie Deutschland, die etwa im Gasspeicher im oberösterreichischen Haidach im großen Stil einlagern.

Der Standard

„Spanien war die schlechteste aller Welten“

20. September 2022
Minus bei Energieverbrauch - Neukirchen-Vluyn, APA/dpa

Weg vom Gas, sonst bleibt Europa durch Russland erpressbar, mahnt die Energie- und Umweltexpertin des Ifo-Instituts in München, Karen Pittel. Dafür seien vorübergehend Öl und Kohle in Kauf zu nehmen. Eingriffe in Strom- und Gasmarkt sollten wohlüberlegt sein, denn jede Änderung kann negative Effekte und Regulierungsbedarf nach sich ziehen.

Die Energiekrise hält Europa auf Trab. Die Vorbereitungen für ein Gasembargo sind nicht so weit, wie sie sein sollten – und warum Spanien ein schlechtes Vorbild ist im Kampf gegen hohe Strompreise.

STANDARD: Sind die Strom- und Gasmärkte verrückt? Oder funktionieren sie doch, denn ein knappes Gut zieht höhere Preise nach sich?

Pittel: Im Grunde funktionieren die Märkte schon. Wenn das Angebot knapp beziehungsweise die Nachfrage hoch ist, dann steigen die Preise. Das sieht man auf den Gasmärkten, den Ölmärkten, und man sieht es auch auf de Strommärkten. Was man aber auch sieht, ist eine gewisse Nervosität auf den Märkten. Die Preise gehen in relativ kurzen Abständen sehr stark rauf und wieder runter, was durch realwirtschaftlichen Daten nicht unbedingt gedeckt ist. Diese kurzfristigen Komponenten wie Ängste vor künftiger Knappheit in Markt-Preis-Analysen miteinzubeziehen ist extrem schwierig.

STANDARD: Ein aktueller Mangel scheint diese erratischen Entwicklungen also eher nicht zu rechtfertigen, oder schiebt der Bedarf nach Vorräten an Speichergas für den Winter die Preise dermaßen an?

Der Standard