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Deutschland bereitet sich auf die Gas-Alarmstufe vor

24. Juni 2022

Engpass. Was passiert, wenn Berlin die zweite Stufe des Notfallplans ausruft?

„Es liegt eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vor, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt. Der Markt ist aber noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage zu bewältigen, ohne dass nicht marktbasierte Maßnahmen ergriffen werden müssen“ – so lautet die offizielle Beschreibung der zweiten Eskalationsstufe des dreiteiligen deutschen Gas-Notfallplans. Und diese Alarmstufe dürfte Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) laut Medienberichten bald ausrufen; der FAZ zufolge könnte es spätestens am 8. Juli so weit sein.

Neue Gesetze

An jenem Freitag werden im Bundestag nämlich zwei neue Gesetze verabschiedet, die wesentlich sind für die Energieversorgung Deutschlands: das Energiesicherungsgesetz und das Ersatzkraftwerke-Bereitstellungsgesetz. Letzteres sieht etwa vor, kurzfristig Kohlekraftwerke in Betrieb zu nehmen, um den Verbrauch von Gas zu minimieren. Damit diese Gesetze verabschiedet werden können, muss zuvor eine Gasknappheit festgestellt worden sein. Etwa, indem die Alarmstufe ausgerufen wurde.

Das Wirtschaftsministerium dementierte das Datum am Mittwoch, dennoch stellt sich die Frage, was die Alarmstufe bedeuten würde.

Verkürzt gesagt wäre es nicht mehr als eine weitere Warnung vor einer Zuspitzung der Lage. Der dreiteilige Notfallplan gliedert sich in Frühwarn-, Alarm- und Notfallstufe. Die Frühwarnstufe wurde bereits Ende März ausgerufen, sie diente der Vorbereitung auf eine bevorstehende Gasknappheit.

Kurier

Das ausgesparte Sparen

24. Juni 2022

Vom Tempo 100 über den Energiebonus bis zu Gesetzen für mehr Effizienz und Änderungen im Verhalten: Im Energiesparen läge enormes Potenzial. Lässt es die türkis-grüne Regierung ungenutzt?

Ein und dasselbe Problem, 40 Jahre zeitlicher Abstand, eine völlig andere Herangehensweise. In den 1970er-Jahren gab es in Österreich schon einmal Energiekrisen. Die Rohölpreise vervielfachten sich, die allgemeine Angst ging um, die Preise stiegen.

Die Folge waren damals vor allem kollektive Sparanstrengungen. Die Regierung verfügte beispielsweise eine Temperaturbegrenzung für Heizungen in öffentlichen Gebäuden auf 20 Grad Celsius. Autobesitzer wurden zu einem autofreien Tag pro Woche verpflichtet – auch wenn die Maßnahme nach fünf Wochen wieder abgeschafft wurde. Energieferien und Sommerzeit wurden eingeführt, um Energie zu sparen. Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ) höchstpersönlich riet aus Energiespargründen zur Nassrasur statt zum elektrischen Rasierer.

Wie sinnvoll diese Maßnahmen im Einzelnen waren, sei dahingestellt. Entscheidend: Heute ist im Gegensatz zu früher kaum die Rede vom Sparen. Vielmehr setzt die türkis-grüne Regierung im Kampf gegen Gasknappheit und Energiepreise in Rekordhöhen, die vor allem aus dem Krieg in der Ukraine resultieren, vor allem auf technische Lösungen: etwa mehr Flüssiggasimporte aus Katar und den rascheren Ausbau erneuerbarer Energien. Am Montag stellte die Regierung überdies sogar in Aussicht, ein aufgelassenes – höchst klimaschädliches – Kohlekraftwerk im steirischen Mellach wieder zu reaktivieren.

Riesige Potenziale

Aber Sparen? Bisher Fehlanzeige. Erst am Dienstag – mehr als drei Monate nach Ausbruch des Ukraine-Krieges – äußerte sich die Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) erstmals zu diesem Thema. Für kommenden Herbst sei eine Werbekampagne für mehr Energiesparen in Planung, sagte sie.

Standard

Reduzierte Gasflüsse schüren Ängste

22. Juni 2022

Den vierten Tag in Folge ist am Sonntag in Österreich und anderen EU-Ländern weniger Gas aus Russland eingelangt – wegen technischer Probleme, wie Moskau behauptet. Bundeskanzler Nehammer hat einen Krisengipfel einberufen.

Seit Donnerstag kommt deutlich weniger Gas über Pipelines aus Russland in Österreich an. Moskau bleibt dabei, dass die verminderten Gasflüsse über die Ostseepipeline Nord Stream 1 technischen Problemen geschuldet seien, namentlich dem Ausfall einer Siemens-Turbine, die in Kanada gewartet und sanktionsbedingt nicht an die russische Betreibergesellschaft übergeben werden darf.

Von der 60-prozentigen Liefermengeneinschränkung ist vor allem Deutschland betroffen. In Lubmin an der Ostsee trifft die 2011 in Betrieb gegangene Nord Stream 1 an Land. Deutschland bezieht normalerweise sehr viel Gas daraus. Betroffen ist aber auch Frankreich, das wegen des Druckabfalls seit Tagen kein Gas mehr aus Russland bekommt. Auch Italien berichtet von einem 50-prozentigen Lieferrückgang. Desgleichen Tschechien und Österreich, wobei Österreich den Großteil des in Russland gekauften Gases über Leitungen bezieht, die durch die Ukraine und die Slowakei laufen.

Dass die Lage dennoch als ernst eingestuft wird, zeigt die Tatsache, dass Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) Sonntagabend zu einem Krisengipfel geladen hat. Mit Wirtschaftsminister Martin Kocher und Energieministerin Leonore Gewessler vom grünen Koalitionspartner sollten dabei die Lage sondiert und die weitere Vorgangsweise abgestimmt werden.

Trotz des verminderten Gasflusses sind die Speicher in den vergangenen Tagen und Stunden weiter befüllt worden. Insgesamt fassen die in Österreich befindlichen unterirdischen Speicher rund 95 Terawattstunden (TWh), das entspricht in etwa einem Jahresbedarf an Gas. Damit verfügt Österreich pro Kopf über die größte Speicherkapazität in Europa.

Der Standard

Knoten in der Gasleitung

22. Juni 2022
Tauziehen um russisches Gas geht weiter - Moscow, APA/AFP

Russland fährt die Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 weiter zurück. Gazprom verweist auf technische Probleme, die deutsche Regierung hält das für politisch motiviert und spricht von einer angespannten Lage. Österreich gibt vorerst Entwarnung.

Und plötzlich kommt 60 Prozent weniger Gas an, als dies normalerweise der Fall ist. So geschehen schon am Fronleichnamstag, und so ist es weitergegangen auch gestern, Freitag. Geht es nach Gazprom, dem russischen Gasmonopolisten, wird die Liefereinschränkung bei der betroffenen Pipeline Nord Stream 1, einer der Hauptschlagadern im Gastransit von Ost nach West, noch einige Zeit anhalten.

Frage: Was ist das Problem?

Antwort: Gazprom argumentiert mit technischen Problemen, warum die Kapazität der Ostseepipeline Nord Stream 1 zurückgefahren werden musste.

Frage: Welcher Art sind die Probleme?

Antwort: Siemens Energy hat 2009 Gasturbinen für eine Verdichterstation der Nord-Stream-1-Pipeline geliefert. Die Anlagen treiben Verdichter an, die für die Druckerhöhung des Erdgases in der Pipeline erforderlich sind. Diese Turbinen wurden in Kanada gefertigt und sind seit mehr als zehn Jahren im Einsatz. Um den Betrieb der Pipeline aufrechtzuerhalten, ist es notwendig, diese Turbinen regelmäßig zu überholen. Dies sei aus technischen Gründen ausschließlich in Kanada möglich, heißt es bei Siemens.

Frage: Warum werden die nicht einfach geliefert und alles ist gut?

Antwort: Wegen der von Kanada verhängten Sanktionen gegen Russland sei es derzeit nicht möglich, die überholten Gasturbinen an den Kunden zu liefern, heißt es.

Frage: Verhindern die Sanktionen die Auslieferung?

Antwort: Jedenfalls erleichtern sie das Ganze nicht. Ob aber wirklich ein Hinderungsgrund vorliegt, darüber sprechen nach Angaben des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck (Bündnis 90 / Die Grünen) deutsche und kanadische Behörden seit Tagen – Ausgang noch ungewiss.

Frage: Ist der Einbruch der Liefermenge auf 40 Prozent mit der Wartung erklärbar?

Antwort: Experten und Expertinnen sagen: in der Höhe nie und nimmer. Auch die Bundesnetzagentur in Bonn hat das Vorgehen Moskaus als „technisch nicht zu begründen“ bezeichnet. Minister Habeck seinerseits sagt: „Die Begründung der russischen Seite ist schlicht vorgeschoben. Es ist offenkundig die Strategie, zu verunsichern und die Preise hochzutreiben.“

Der Standard

Russland dreht taktisch am Gashahn

22. Juni 2022, Wien

Seit Mittwoch kommt dramatisch weniger Gas durch die wichtigste Pipeline nach Europa. Gazprom gibt technische Gründe an, Experten bezweifeln das. Die Folgen werden die Verbraucher im Winter spüren.

So gut war es zuletzt gelaufen. Die hohen Temperaturen ließen den Gasbedarf vor allem der Haushalte sinken ebenso wie die Großhandelspreise für Erdgas. Und Versorger und Unternehmen haben – gestützt durch staatliche Garantien – fleißig Gas eingespeichert. Seit Wochenmitte herrscht wieder Alarmstimmung: Der russische Staatskonzern Gazprom hat angekündigt, die Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1, die wichtigste Leitung Richtung Europa, wegen Reparaturarbeiten drastisch zu drosseln.

Nach Deutschland fließen demnach 60 Prozent weniger Gas, Italien und die Slowakei bekommen um 50 Prozent weniger. Österreich, das auch über Pipelines durch die Ukraine versorgt wird, bekommt um ein Drittel weniger. Frankreich, das kaum ein Viertel seines Bedarfs mit russischem Gas deckt, erhält gar keines mehr über Pipelines.

Die Versorgung der Gaskunden sei nicht gefährdet, hieß es vonseiten des größten heimischen Gashändlers OMV und der Energieregulierungsbehörde E-Control am Freitag umgehend. Der Verbrauch sei um diese Jahreszeit ohnehin geringer und in den heimischen Speichern lagerten mittlerweile 40 Prozent des Jahresverbrauchs, anders als zu Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine Ende Februar. Die OMV würde gegebenenfalls auch Gas am Spotmarkt zukaufen, der Markt sei liquide, hieß es.

Salzburger Nachrichten