2024 Artikel gefunden:

Strom könnte billiger sein

27. April 2022, Wien

Die EU-Staaten können Haushalten und Betreibern unter die Arme greifen und einige machen es stärker als andere. Damit soll der europäische Energiemarkt gerettet werden.

„Größter österreichischer Stromkonzern produziert rund 30 TWh aus Wasserkraft. Auf den Handelsmärkten ist der Preis für Lieferungen 2023 in einem Jahr von 55 auf 210 Euro/MWh gestiegen. Bei unveränderten Kosten ist das ein Extraprofit von 4,2 Mrd. Euro. Wer zahlt das?“, schrieb Ex-SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern kürzlich auf Twitter. Als früherer Verbund-Vorstand weiß Kern natürlich, dass vier Fünftel des Stroms über Termingeschäfte nach speziellen Regeln verkauft werden. Der Absatzpreis des Konzerns, der 2021 mit 54 Euro je Megawattstunde (MWh) um 22 Prozent höher lag, wird heuer noch stärker steigen. Jeder Euro je MWh zusätzlich erhöht das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen des Verbunds um 25 Mill. Euro, rechnete Finanzchef Peter Kollmann vor Kurzem vor.

Die Verbund AG, zu 51 Prozent in Staatsbesitz, ist der größte, aber nicht der einzige Profiteur der Strompreiskapriolen. Landeseigene Versorger mit Wasserkraftwerken wie die Tiroler Tiwag oder teils die Salzburg AG melden ebenfalls sprudelnde Gewinne. Stromverbraucher, Gewerkschafter und Opposition rufen jetzt nach Sonderdividenden, Abgabensenkungen und mehr: Strom aus heimischer Wasserkraft werde gleich billig wie bisher produziert. Die Politik müsse nur – wie etwa in Spanien – die Preise regulieren, argumentiert auch Kern.

Die Energieversorger lehnen solche Eingriffe naturgemäß ab. Auch die Regulierungsbehörde sieht sie kritisch. „Es hat zwei Jahrzehnte gebraucht, Ineffizienz und Protektionismus wegzukriegen“, sagt Johannes Mayer, Preisexperte der E-Control. Vor 20 Jahren haben die EU-Staaten ihre abgeschotteten Energiemärkte mit viel Mühe geöffnet. Der Strommarkt blieb streng geregelt, um Blackouts zu verhindern und Investitionen zu sichern. Die Preise sanken aber, weil Strom nun aus den jeweils günstigsten Kraftwerken kam, wo immer sie stehen. Auch Österreich muss im Winter bis zu 40 Prozent Strom importieren, wenn Wasser, Wind und Sonnenkraft nicht reichen, dafür wird im Sommer exportiert.
„Früher war der Strompreis kostengetrieben“, sagt Energieberater Walter Boltz, „und das war sauteuer.“ Überall wurden zu viele Kraftwerke gebaut, weil sie die Stromkunden bezahlt haben. Trotz Wasserkraft sei der Strompreis damals höher als 2019 – das letzte „normale“ Jahr – gewesen, erinnert sich der frühere Chef der E-Control.

Salzburger Nachrichten

Transformation statt Depression

27. April 2022, Salzburg

Man könnte Untersuchungsausschüsse darüber abhalten, wer Österreich die große Abhängigkeit von russischem Gas eingebrockt hat, sagt Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler im SN-Interview.

Am kommenden Samstag halten die Grünen in Villach ihren Bundeskongress ab, bei dem Werner Kogler wieder als deren Bundessprecher kandidieren wird.

Beim letzten Wahl-Bundeskongress der Grünen vor vier Jahren lautete Ihr Motto: Rudern statt Sudern. Welche Parole geben sie diesmal aus? Kogler: Es ist gut und richtig, dass die Grünen in der Regierung sind. Es sind in unserer Lebenszeit noch nie so viele Krisen zusammengekommen wie jetzt. Wir können als stabiler Faktor in der Regierung einen Beitrag leisten, noch dazu, da die grünen Antworten und Fragen noch nie so zutreffend waren wie jetzt. Rudern statt Sudern war damals mein persönliches Motto. Im Prinzip gilt es auch heute noch. Nicht nur bei uns, in ganz Europa geht es um eine riesengroße Transformation. Wir sind nicht in die Regierung gegangen, um es uns einfach zu machen. Es muss Zuversicht, Hoffnung und Orientierung geben auch in schwierigsten Zeiten. Das Motto könnte daher diesmal lauten: Transformation statt Depression. Welchen Wandel meinen Sie? Der größte hat mit dem Ausstieg aus dem fossilen und dem Einstieg in das solare Zeitalter bereits begonnen. Was viele bisher bloß als grüne Mission abgetan haben, ist so etwas wie eine Staatsräson geworden.

Fürchten Sie nicht gerade jetzt einen Rückschlag? Pandemie, Teuerung, Krieg, muss da nicht die Klimapolitik zurückstehen? Nein. Es muss mehreres gleichzeitig gelingen. Es geht auch um die Entlastung jener, die nicht so viel leisten können. Die Teuerung ist auch wegen der fossilen Energien so groß. Sie sind das Problem und nicht die Lösung. Wir haben quasi eine fossile Inflation. Deshalb müssen wir da schnell raus. Natürlich müssen wir absichern, dass unsere Wirtschaft und Industrie weitermachen können. Aber dass wir jetzt den Klimaschutz hintanstellen, das wäre die verkehrte Antwort. Wir müssen uminvestieren. Je mehr erneuerbare Energieträger, umso größer wird die Unabhängigkeit. Das sind Freiheitszeichen.

Salzburger Nachrichten

Abschied von Öl und Gas ohne Panik

27. April 2022

Immer mehr Chefs und Chefinnen stimmen in den Chor derer ein, die einen möglichst raschen Ausstieg aus fossilen Energieträgern fordern. In manchem Bundesland scheinen Wähler und Wählerinnen schon weiter zu sein als die Politik.

Wo ein Wille, da ein Weg. Mitunter hat man den Eindruck, dass es bei der massiv getrommelten Energiewende nicht an Wegen fehlt, sondern am Willen. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kommt hinzu, dass der Umbau des Energiesystems von fossil auf erneuerbar noch rascher gehen muss als aus Klimagründen ohnehin nötig. Europa will schnell unabhängig werden von russischem Gas.

Sämtliche repräsentativen Umfragen der letzten Zeit zeigen, dass die Bevölkerung mehrheitlich Maßnahmen zum Schutz des Klimas unterstützt. Auch in den Führungsetagen der Unternehmen sickert die Erkenntnis, dass mit fossiler Wirtschaft kein Staat mehr zu machen ist. Öl, Kohle und Gas nutzen, das ja, aber nicht, um daraus Energie zu gewinnen. Dafür seien Kohlenwasserstoffe zu schade und letztlich auch gefährlich für den Fortbestand des Lebens auf der Erde, weil beim Verbrennen klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) entweicht.

In Anbetracht der starken Abhängigkeit Österreichs von Gaslieferungen aus Russland, die bei 80 Prozent liegt, plädieren mehr und mehr Firmenchefs und -chefinnen für einen geordneten Rückzug. Knapp 50 haben sich mittlerweile in dem gemeinnützigen Verein CEOs for Future zusammengefunden, der sich die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit auf die Fahnen geheftet hat. Mit dabei sind Unternehmen wie Asfinag, Greiner und Lafarge, auch ÖBB, Salzburg AG, Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und Wiener Stadtwerke.
Peter Weinelt, stellvertretender Stadtwerke-Generaldirektor und bis vor kurzem starker Befürworter von Erdgas, hat sich vom Saulus zum Paulus gewandelt. „Meine persönliche Welt hat sich mit dem 24. 2. 2022 geändert“, räumte er in einer Pressekonferenz der CEOs for Future am Freitag ein.

Der 24. Februar, das war der Tag, an dem Wladimir Putin seine Truppen in die Ukraine geschickt und der Krieg seinen Lauf genommen hat – mit Zerstörung, Tod, galoppierenden Preisen und der unausgesprochenen Drohung, den Gashahn zuzudrehen.

Der Standard

Gebt uns mehr Biomüll!

27. April 2022

Abfallbehandlung. Küchenabfall und Grünschnitt können in Methan verwandelt werden und Erdgas ersetzen. Zudem entsteht durch Kompostierung wertvoller Dünger. Was fehlt, ist das Bewusstsein für die richtige Entsorgung.

Wir drehen die Heizung hinunter, um Gas zu sparen, das uns Russland jederzeit abdrehen könnte, und werfen zugleich haufenweise Rohstoffe in den Müll, aus denen man Methan produzieren kann? Die Rede ist von Biomüll, der viel zu oft im Restmüll landet. Lebensmittelabfälle, Grünschnitt aus dem Garten und vieles mehr kann man in Biogasanlagen zu Methan verarbeiten, das ins Erdgasnetz eingespeist wird und so den Gasbedarf aus dem Ausland senkt.

"Derzeit stecken im Restabfall in Österreich noch 30 bis 40 Prozent biogene Abfälle", sagt Anke Bockreis, Professorin für Abfallbehandlung und Ressourcenmanagement an der Uni Innsbruck. Diese Anteile herauszusortieren ist aktuell nicht effizient, daher wird all das wertvolle Material in der Müllverwertung verbrannt. "Bei uns in Tirol verstärkt sich das Problem, denn wir haben im ganzen Bundesland keine eigene Müllverbrennung. Der Restabfall wird nach Oberösterreich oder weiter in den Osten gefahren und dort verbrannt zur Strom- und Wärmegewinnung." Danach kommt die Schlacke wieder zurück nach Tirol und wird auf der Deponie Ahrental abgelagert. "Das heißt nicht, dass eine eigene Müllverbrennung in Tirol unbedingt sinnvoll ist. Aber man könnte hier durch abfallwirtschaftliche Maßnahmen die Energie in Tirol gewinnen — ohne Transporte", sagt sie.

"Es wäre prinzipiell möglich, Biogas aus den vorhandenen Abfällen zu bekommen: Wir müssen aber schauen, wie wir noch mehr davon tatsächlich zu den Biogas-Anlagen bringen", erklärt Bockreis, die in ihrer Zeit als Vizerektorin der Uni Innsbruck auch für Infrastruktur und Abfallbehandlung zuständig war. 2013 initiierte sie für die gesamte Universität, dass Biomüll getrennt gesammelt wird: Seither kommen die Reste aus den Teeküchen und Cafeterias in die biogene Verwertung. "Große Piktogramme auf den verschiedenen Behältern zeigen klar, was hineingehört und was nicht."

Die Presse

„Schnelle Verfahren durch Abstriche bei Partizipation“

27. April 2022

Verfassungs- und Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) will Verfahren für Erneuerbaren-Ausbau beschleunigen. Abhängigkeit von russischem Gas sinke frühestens in fünf Jahren sichtbar. Von Uwe Sommersguter
Um bis 2030 stromautark zu sein, fehlt Österreich erneuerbare Energie im Ausmaß von 27 Terawattstunden.

Wie wollen Sie die langwierigen Verfahren beschleunigen, die größte Hürde für diesen Kraftakt?
KAROLINE EDTSTADLER: Wir als Regierung müssen daran arbeiten, dass Infrastrukturprojekte schneller genehmigt werden. Vor allem die Klimaschutzministerin ist hier sehr gefragt. Zwischen 2009 und 2017 dauerten UVP-Verfahren im Schnitt 13,3 Monate, danach sind es sogar 15,2 Monate. So wird es sich nicht ausgehen bis 2030.

Was muss das Ziel sein – eine Halbierung auf sieben oder acht Monate?

In der Zeit, die ein durchschnittliches UVP-Verfahren benötigt, soll künftig das fertige Windrad bereits Strom liefern.
Davon sind wir aber meilenweit entfernt.

Ja, davon sind wir weit entfernt. Die Klimaschutzministerin muss sagen, dass es diese Infrastruktur braucht. Man sollte gegen Infrastruktur zur Energiewende nicht mehr ankämpfen.

Müsste es also ein Primat des Klimaschutzes über den Umweltschutz geben?

Es braucht verkürzte Genehmigungsdauer in Verfahren für Wasser- und Windkraft, um die Energiewende und die mittelfristige Reduktion der Abhängigkeit von fossiler Energie zu schaffen. Wir brauchen auch Abstriche in Genehmigungsverfahren, was die Partizipation betrifft. Wenn jeder Einsprüche bis zur obersten Instanz machen kann, wird es halt lange Verfahren geben. Man muss schwerpunktmäßig Gebiete ausweisen, in denen Windräder oder Wasserkraftwerke errichtet werden und hier beschleunigte Verfahren durchführen.

Abstriche bei der Partizipation bedeuten naturgemäß eine Begrenzung von Bürgerrechten.
Jeder, der betroffen ist, soll weiterhin die Möglichkeit haben, seine Anliegen vorzubringen. Es muss aber auch einen Schlussstrich geben, damit man Argumente nicht bis zur obersten Instanz immer wieder erneuern kann.

Neue Vorarlberger Tageszeitung