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Nichts war besser als russisches Gas

9. März 2022

Österreich ist mit der engen Beziehung von OMV und Gazprom lange gut gefahren. Die Abhängigkeit wäre ohne EU über Pipelines heute noch größer, als sie ohnehin ist.

„OMV verfolgt keine Investitionen in Russland mehr“, ließ Österreichs Öl-, Gas- und Chemieriese vergangenen Samstag Anleger und Öffentlichkeit wissen. Damit hat der teilstaatliche Konzern als Reaktion auf Russlands Angriff auf die Ukraine – spät, aber doch – einen Kurswechsel vollzogen. Russland sei „keine Kernregion mehr“, hieß es weiter. Die 24,99-Prozent-Beteiligung am westsibirischen Gasfeld Juschno Russkoje, von dem derzeit ein Fünftel der Förderung der OMV kommt, muss wertberichtigt und wohl verkauft werden.

Es ist noch keine vier Jahre her, dass Österreich und Russland ihre goldene Gaspartnerschaft in Wien gefeiert und verlängert haben. Am 4. Juni 2018, fast auf den Tag genau 50 Jahre nachdem die Österreichische Mineralölverwaltung (ÖMV) mit der sowjetischen Sojusneftexport den ersten Erdgasliefervertrag außerhalb der kommunistischen Wirtschaftsregion Comecon abgeschlossen hatte, wurde der Vertrag bis 2040 verlängert. Unterschrieben vom damaligen OMV-Vorstandschef Rainer Seele und Alexej Miller, damals wie heute Gazprom-Chef, während ihnen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und Russlands Präsident Wladimir Putin über die Schultern schauten. Die Versorgung Österreichs mit russischem Erdgas für weitere zwei Jahrzehnte schien gesichert.

Nach den jüngsten Drohungen auf russischer und EU-Seite, die Erdgaslieferungen zu kappen, ist die enge Beziehung zu Moskau eher eine Hypothek. Je nach Rechnung hängt Österreich zu 60 bis 80 Prozent von russischem Gas ab. Ein Rekordwert in der EU, betont Energie- und Klimaministerin Leonore Gewessler seit Tagen, um deutlich zu machen, wie groß die Erpressbarkeit Österreichs ist, sollte es im Konflikt mit Russland zu einem Öl- und Gasembargo kommen.
In den vergangenen Jahren sei die Abhängigkeit Österreichs von russischem Erdgas noch gestiegen, findet auch Walter Boltz. Das habe mit dem im Vorjahr ausgeschiedenen OMV-Chef Seele und dessen Russland-Fokus zu tun, sagt der frühere Vorstand des Regulators E-Control. „Natürlich wäre es im Einflussbereich der Politik gewesen, das zu verhindern.“ Doch die Regierung habe – trotz Staatsbeteiligung – nichts daran geändert und sich in den vergangenen 20 Jahren bei der Energiepolitik für Gas nicht von der OMV-Dominanz emanzipiert.

Salzburger Nachrichten