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Kosten für Verschmutzung werden neu verteilt / Gebäude und Verkehr / Kostenlose Zertifikate / Klimazoll auf Importe

30. Mai 2022

Parlament und Mitgliedsstaaten der EU beraten im Juni über den Emissionshandel, das Herzstück des Green Deals. Umstritten sind vor allem drei Themen.

Mitten in die Verhandlungen zum neuen Emissionshandel der EU platzte vergangene Woche ein umstrittener Vorschlag der Europäischen Kommission: Um den Ausstieg aus Gas, Öl und Kohle aus Russland zu finanzieren, sollen zusätzliche CO₂-Zertifikate verkauft werden – eine Maßnahme, die aus Sicht von Kritikerinnen und Kritikern zu mehr statt weniger Emissionen führen würde und damit die ambitionierten Klimaziele der EU konterkariert.

Das Emissionshandelssystem (ETS), das mittlerweile seit 2005 wirksam ist, hat eigentlich das Ziel, den Ausstieg aus fossilen Energien voranzutreiben. Unternehmen, die Emissionen verursachen, müssen Zertifikate kaufen, die im Laufe der Zeit teurer werden. Das soll sie motivieren, früher auf klimafreundliche Technologien umzusteigen. Im Rahmen des Green Deals will die EU nun deutlich nachschärfen. Die Verhandlungen zwischen den Institutionen befinden sich mittlerweile im Endspurt und könnten im Juni abgeschlossen werden. Umstritten sind dabei vor allem drei Punkte.

Der Emissionshandel gilt derzeit für den Stromsektor, Teile der Industrie und die Luftfahrt. Vergangenes Jahr hatte die EU-Kommission im Rahmen ihres Green Deals vorgeschlagen, das System auch auf den Straßenverkehr und auf Gebäude auszudehnen. In Deutschland sind die Bereiche bereits Teil des Emissionshandels. Österreich setzt ab Juli 2022 auf eine eigene CO₂-Steuer, die später in den europäischen Mechanismus integriert wird. Gelten könnte das neue System in der EU bereits ab 2026, sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher. Das Europäische Parlament will angesichts der hohen Energiepreise einen Kompromiss: Verbraucher sollen erst ab 2029 dazukommen.

Der Standard

OMV lässt Gaslieferverträge mit Russland überprüfen

30. Mai 2022

Milliardenrisiko. Anwaltskanzlei begutachtet die formelle Richtigkeit

Rund um die beiden langfristigen Lieferverträge mit der russischen Gazprom werden immer mehr Spekulationen laut. Offenbar um Klarheit zu schaffen, lässt die OMV nun die milliardenschweren Verträge überprüfen. Wie man aus dem Umfeld des Konzerns hört, wurde eine deutsche Anwaltskanzlei mit der Prüfung beauftragt. Diese wird intern von der Compliance-Abteilung unterstützt, die auch für die interne Revision zuständig ist.

Konkret wird gecheckt, wie die Verträge zustande kamen und ob alle notwendigen Voraussetzungen eingehalten wurden. Die Verträge bedürfen nicht der Zustimmung des Aufsichtsrates, ein Vorstandsbeschluss genügt. Nach diesem gab es aber noch weitere Verhandlungen und die Verträge wurden leicht abgeändert. Die zu klärende Frage sei, meinen Insider, ob der Vorstand damals unter dem stark Russland-affinen CEO Rainer Seele nochmals einen gemeinsamen Beschluss gebraucht hätte.

Die OMV will auf die Anfrage des KURIER keinen Kommentar dazu abgeben. „Wir wollen darauf nicht eingehen. In der OMV werden Ethik- und Compliance-Standards sehr ernst genommen. Ihre Einhaltung wird regelmäßig und sorgfältig geprüft. Vertraulichkeit ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Standards. Aus diesem Grund bitten wir um Verständnis, dass wir vertrauliche Besprechungen öffentlich nicht kommentieren“, erklärt OMV-Sprecher Andreas Rinofner.

Die Konditionen der Verträge werden offenbar nicht nachgeprüft, diese dürften sich von den vorherigen Vereinbarungen mit Gazprom nicht unterscheiden. Stimmt schon, als die Verträge 2018 unterzeichnet wurden, ging man von einem steigenden Gasbedarf und einer sinkenden Eigenproduktion in der EU aus.

Kurier

Gas: Volle Speicher reichen nicht

27. Mai 2022, Wien

Energie. Komme kein Gas mehr, drohe Österreich ein Produktionseinbruch wie in der ersten Coronawelle, sagen Forscher. Die Regierung müsse rasch handeln — und auf Hilfe der EU bauen.

Gute Nachrichten: Langsam, aber doch nimmt die eiserne Gasreserve des Landes Gestalt an. Die Bundesregierung habe um 958 Millionen Euro die ersten 7,7 Terawattstunden (TWh) Erdgas für die strategische Reserve aufgekauft, vermeldete das Klima- und Energieministerium am Dienstag. Damit kommt Österreich immerhin über einen kalten Wintermonat. In Summe will der Staat 20 TWh Gas selbst einlagern, mithilfe der Versorger sollen die Gasspeicher im Herbst zu 80 Prozent gefüllt sein. Vergangene Woche verfügte die Koalition zudem, dass der Gasspeicher Haidach, der bisher nur Deutschland versorgt hatte, auch an das österreichische Netz angebunden werden soll. Die Vorbereitungen für den Ernstfall eines Stopps russischer Gaslieferungen laufen also.

Aber all das sei nicht genug, warnen die Forscher des Complexity Science Hub Vienna (CSH), die zuletzt in der Coronapandemie viel an Aufmerksamkeit gewonnen haben. Sie haben sich angesehen, wie das Land und seine Industrie im Detail betroffen wären, wenn plötzlich kein Gas mehr aus Russland käme — und wie sich die Regierung heute schon idealerweise auf dieses Szenario vorbereiten sollte. "Ohne geeignete Gegenmaßnahmen drohen substanzielle wirtschaftliche Schäden", warnt CSH-Leiter Stefan Thurner. Auf gut gefüllten Gasspeichern darf sich Österreich jedenfalls nicht ausruhen. Im Ernstfall könnte es die bessere Wahl sein, das gebunkerte Gas mit dem Rest der EU zu teilen.

Modelliert haben die Komplexitätsforscher einen Stopp russischer Gaslieferungen ab Juni. Österreich kämen schlagartig 80 Prozent seiner Gasimporte abhanden, Haushalte und Stromversorger wären zwar noch versorgt, die Industrie aber käme rasch in Bedrängnis. Die betroffenen Unternehmen würden mehr als fünf Milliarden Euro an Bruttoproduktion im Monat verlieren. "Das ist in etwa dieselbe Größenordnung wie in der ersten Coronawelle", so Thurner. Alle Überlegungen, wie die restlichen Mengen am besten auf die Branchen verteilt werden sollten, seien in seinen Augen zweitrangig. Entscheidend sei vielmehr, dass die Politik schon jetzt gegensteuere, um den möglichen Gasschock so klein wie möglich zu halten.

Die Presse

Voestalpine kann das Erz aus der Ukraine ersetzen

27. Mai 2022

Energieversorgung. Gas-Embargo würde Ende der Stahlproduktion bedeuten

Der Krieg in der Ukraine hält den Stahltechnologiekonzern voestalpine auf Trab. Die für die Hochöfen benötigte Kohle aus Russland und die Erz-Pellets aus der Ukraine werden seit Kriegsbeginn ja nicht mehr geliefert. Sie müssen ersetzt werden. Durch Lieferanten aus Europa (Schweden etwa) oder Übersee (Brasilien z.B.). Weil das andere Konzerne auch tun müssen, treibt das natürlich den Preis. Vor dem Krieg hat die voestalpine immerhin rund ein Drittel aller Erz-Lieferungen aus der Ukraine bezogen.

„Dann und wann kommt noch ein Zug an“, sagt Vorstandschef Herbert Eibensteiner. Mehr nicht. Aber man kriege das Problem in den Griff.

Ohne Gas kein Stahl

Sollte es jedoch zu einem Ausfall der Gaslieferungen kommen, wäre dies „dramatisch“ und „nicht oder schwer managebar“, so Eibensteiner: „Ohne Gas keine Stahllieferungen.“ Generell würden dann wesentliche industrielle Prozesse zum Stillstand kommen.

Spüren würden das alle, weil Lieferketten zusammenbrechen würden und es wohl zu einer hohen Arbeitslosigkeit käme. Vor allem, weil der Ausfall von Erdgas länger anhalten würde. „Das kann man nicht von heute auf morgen wieder hochfahren“, so der voestalpine-Chef.

Mit der Regulierungsbehörde E-Control sei man laufend im Austausch, mit der Regierung gebe es aber nur „sporadisch“ Gespräche zur Gasversorgung, so Eibensteiner im Gespräch mit Journalisten.

Kurier

Unterstützung aus Afrika

25. Mai 2022

Auf der Suche nach neuen Gasquellen klopft Europa im Süden an.

Im Senegal herrscht Goldgräberstimmung. Denn vor der Küste des westafrikanischen Landes soll bald Gas in großen Mengen gefördert werden. Bereits 2018 einigte man sich mit dem nördlichen Nachbarn Mauretanien, das große Gasvorkommen Greater Tortue Ahmeyim-Projekt (GTA) vor der Küste der beiden Länder gemeinsam auszubeuten. Senegals Präsident Macky Sall hat nun große Pläne. Bis 2035 soll der massive Ausbau des Energiesektors zu einer treibenden Kraft des Landes werden. Vor allem auch weil die zahlungskräftigen Kunden aus Europa Interesse zeigen.
Am Sonntag besuchte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz den Senegal. Die Gasquellen sind sehr attraktiv geworden, nachdem die Europäer nach dem russischen Angriff in der Ukraine händeringend Ersatz für russisches Gas und Öl suchen.

Nur könnte sich jetzt rächen, dass gerade die Europäer und auch Deutschland auf der Klimakonferenz in Glasgow im November 2021 darauf gedrungen hatten, die Finanzierung und Erschließung neuer fossiler Vorkommen deutlich zu erschweren. Dabei hatte Senegals Präsident Sall damals ausdrücklich davor gewarnt, dass dies „fatale Kosten“ für die Entwicklung etwa seines Landes habe. Die Regierung in Dakar hat bereits klargemacht: Gas bekommt, wer sich bei der Erschließung engagiert.

Mittlerweile räumt auch die deutsche Bundesregierung einen Trend zum Umdenken ein. „Sie wissen ja, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Entwicklungsbanken dazu eine restriktive Haltung haben“, sagte ein Regierungsvertreter zu Projekten mit fossilen Energieträgern. Aber der Druck zur Diversifizierung der Lieferquellen sei durch den russischen Angriff „noch einmal akuter“ geworden. Jetzt heißt es zu einer möglichen Finanzierung: „Wir sehen das durchaus als eine Möglichkeit an.“ Einige deutsche Firmen seien auch an der Explorationen beteiligt. „Insofern wollen wir offen darüber sprechen, ob und wie wir dabei zusammenarbeiten können, aber dabei sind wir noch nicht in der Phase der Vertragsreife.“ Zugleich betont man die Zusammenarbeit bei erneuerbaren Energien, etwa der Photovoltaik.

Wiener Zeitung